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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Hühnerhof und in der Meierei und wirst deshalb mit Steinen beworfen.«
    »Und wenn? Du bist wegen deiner bloßen Anwesenheit schon getreten worden!«
    Verdammt, sogar diese Schmach hatte der Schwarze mitbekommen. Ich drehte mich betont langsam um und wollte die Konversation damit beenden, aber dieser lästige Schwanz an meinem hinteren Ende, der sich ständig anmaßte, seinen eigenen Willen durchzusetzen, schnellte schon wieder einladend nach oben.
    »Bist schon ein hübsches Schoßkätzchen!«, schnurrte es süffisant hinter mir her. »Du darfst jederzeit mein Revier betreten.«
    »Habe ich auch nicht nötig!«, fauchte ich zurück und zwang meine unwillige Verlängerung des Rückgrats nach unten.
    Zu allem Überfluss kam jetzt auch noch Meiko aus dem Portal und bewegte sich in meine Richtung.
    »Na, Mirza, Freundschaft mit Diabolo geschlossen?«, fragte er hämisch. Das gab mir neuen Antrieb, und trotz schwerer Luft und Schwüle setzte ich zu einem Spurt zur Pferdekoppel an.
    Diabolo, wie passend. Manchmal sind die Menschen nicht so dumm, wie sie aussehen. Ihnen will ich nun deshalb ein besonderes Kapitel widmen.

Ein menschliches Kapitel
    Die Luft wurde dicker und dicker, der Himmel lag wie eine schwere Glocke über dem Land. Ich legte mich auf einen Fenstersims in der Bibliothek, zu schlapp, um nach den Mäusen zu schauen. Aber die waren ebenfalls zu schlapp, um an den Büchern zu nagen. Insofern kam es auf dasselbe raus.
    Pater Melvinius saß an seinem Pult und wirkte auch nicht besonders munter. Hin und wieder atmete er schwer, und es schien, als ob ihm das Wetter überhaupt nicht gut tat. Ich hüpfte versuchsweise auf seinen Schoß und fühlte nach. Ein wenig beunruhigte es mich, sein Herz so langsam schlagen zu fühlen, und ich schnurrte ihn ausgiebig an.
    »Mirza, es ist ja lieb, dass du so zärtlich zu mir bist, aber ehrlich gesagt, mir ist zu warm. Leg dich lieber wieder auf den Sims!«
    Er trug mich zum Fenster. Na, war gut gemeint. Aber ich dränge mich niemandem auf. Immerhin hörte der alte Mann dann wenigstens auf seinen Diener, der kurz darauf nach ihm sah. Yvain fiel ebenfalls auf, wie unwohl Melvinius sich fühlte. Er beorderte ihn mit beinahe strengen Worten auf sein Lager und brachte ihm einen kalten Kräutertrank.
    Inzwischen waren schwarze Wolken aufgezogen, und ich verspürte die feinen Vibrationen, die der ferneDonner auslöste. Es würde ein kräftiges Gewitter werden. Auf meinen Nachmittagsrundgang verzichtete ich deshalb. Wenn ich etwas hasse, dann von oben nass gegossen zu werden. Aber hier in dem Raum war ich sicher und konnte dennoch das Walten der Natur beobachten. Eine angenehme Erfahrung! Ich rollte mich also behaglich zusammen und sann ein wenig über meine neue Lage nach.
    Wenn ich es recht betrachtete, hatte ich es nicht ganz schlecht getroffen. Meine Achtung vor den Menschen wuchs ein wenig, wenngleich ich auch nicht gerade vor Ehrfurcht vor ihnen erstarrte. Bisher hatte ich ja eigentlich nur die alte Moen näher kennen gelernt, hier tat sich ein erweitertes Beobachtungsfeld auf. Eine interessante Betrachtung war die Kommunikationsweise dieser Geschöpfe untereinander. Sie bedienten sich schwerpunktmäßig der Laute, die sie aus ihren Kehlen hervorbrachten. Das machen wir Katzen nur in geringerem Maße. Sicher, ganz kleine, ganz junge Katzen, deren übrige Sinne noch nicht vollständig ausgebildet sind, plaudern mit ihrer Mama und reagieren auch auf ihre Laute. Fremd ist uns das gesprochene Wort also nicht. Was mich aber überraschte, war die Vielfalt der menschlichen Äußerungen. Sie redeten in unterschiedlichen Sprachen, und es schien, als seien sie nicht in der Lage, einander richtig zu verstehen. Die Menschen im Dorf hatten eine andere Ausdrucksweise als die Mönche, wenn sie ihren Singsang in der Kirche betrieben. Der wiederum unterschied sich deutlich von den Worten, die sie zur gewöhnlichen Unterhaltung verwendeten. Yvain sprach ein gänzlich anderes Idiom, was Melviniusaber sichtlich verstand und ebenfalls beherrschte. Mit anderen aber befleißigten beide sich der hier üblichen Zunge. Wie schwer sie es sich damit machten! Aber das war ihr Problem, nicht meines. Ich verstand jede menschliche Sprache gleich gut. Sie setzt sich ja aus mehr als nur Lauten zusammen, wie jede Katze weiß. Der Ausdruck der Augen, die Haltung des Körpers, der Geruch, die Stimmlage und Betonung, die Atmung und vor allem die Gedankenbilder, die hinter den Aussagen stehen, machen das

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