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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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von denen drei bereits so plastisch ausgemalt waren, dass man den kühlen Marmor geradezu fühlen konnte. Zwischen diesen drei Säulen breiteten sich zwei fertige Landschaften aus, in denen sich Menschengestalten herumtrieben. Sie hatten seltsame goldene Ringe um die Köpfe, und einer von ihnen hatte sogar Flügel auf dem Rücken, was wohleher auf menschliches Wunschdenken schließen ließ. Fliegen können nur die Vögel und ein paar Insekten.
    Auf einem Gerüst stand Meister Clemens in bewährter Tunika, Hose und bekleckster Schürze, das grüne Barett keck auf den widerspenstigen Locken. Sie summte und brummte vor sich hin. Aber irgendwie klang die Stimme heute ziemlich männlich. Sie malte Marmor, grau, weiß, mit feinem Geäder und kleinen goldenen Flimmern drin. Ich war wieder einmal beeindruckt und schaute eine geraume Zeit wirklich gebannt zu. Dann aber legte sie die Palette nieder und stieg die Leiter von dem Gerüst hinunter.
    »Ah, die Katze ist zu Besuch gekommen«, sagte sie mit ihrer tiefen Stimme. »Willst du mir bei meinem Mittagsmahl Gesellschaft leisten? Die Mönche stellen mir immer etwas aus der Küche hin. Diesmal ist ein feines Stückchen Käse dabei.«
    Eine solche Einladung lehne ich nie ab. Ich näherte mich gemessenen Schrittes, um nicht gierig zu wirken. Und stutzte.
    Ja, konnte ich denn meinen Sinnen nicht mehr trauen?
    Dieser Meister Clemens war eindeutig ein Mann. Ganz eindeutig. Männer riechen nun mal anders als Frauen. Aber er sah aus wie die Frau, die neulich hier gemalt hatte.
    Spielte die Welt mit mir verrückt?
    »Was ist, Kätzchen? Hast du Angst vor mir? Hier, schau, ein Leckerbissen!«
    Er hatte mit seinem Messer ein Stückchen von dem weißen Käse abgeschnitten und reichte es mir höflich mit den Fingerspitzen.
    Ob Mann oder Weib – das verschmähte man nicht!
    Ich konnte das Schmatzen leider nicht unterdrücken. Meister Clemens lachte leise und gab mir noch ein Stück. Köstlich.
    Ich dankte es ihm mit einem achtungsvollen Streichen um seine Beine.
    Er hingegen kraulte meinen Nacken und sagte noch ein paar Freundlichkeiten zu mir. Dann griff er nach einem Tonkrug und zog den in gewachstes Leinen eingebundenen Stopfen heraus, um sich von dem Inhalt etwas in einen Becher zu gießen.
    »Ein feines Tröpfchen gönnen sich die guten Mönche hier«, erzählte er mir, als er den Becher absetzte. Mich interessierte das Zeug weniger, es roch nicht bekömmlich. Zumindest nicht für mich. Aber dieser Stopfen, der war lustig. Er war von der Bank gerollt und kollerte jetzt über den Boden. Ich nach und drauf. Gefangen!
    »Gut gemacht, Katze!«
    Sicher.
    Ich nahm den Stopfen zwischen die Zähne und brachte ihn Meister Clemens.
    Er warf ihn ein Stückchen weiter in den Raum. Ich nach und drauf. Gefangen! Zurückschleppen.
    »Apportieren tun gewöhnlich nur Hunde, aber
    wenn es dir Spaß macht, Katze...«
    Es war ein aufregendes Spiel. Meister Clemens war sehr erfindungsreich. Mal landete der Stopfen hinter einer Säule, mal auf dem Gerüst, mal kullerte er unter die Bänke. Ich fand ihn jedes Mal.
    Dann aber zog es mich wieder hinaus in den Sonnenschein. Die Runde musste pünktlich beendet werden.Katzen achten auf so etwas. Schließlich hatte ich noch eine Aufgabe in der Bibliothek zu erfüllen, damit sich mein Pater nicht bei dem Gärtnerburschen beschweren musste.
     
    Ich fand Melvinius in seiner Kammer im Gespräch mit einem mageren, kleinwüchsigen Mann, den er Yvain nannte und den er mir als seinen Leibdiener vorstellte. Beide sprachen in einer anderen, sehr wohlklingenden Sprache miteinander, und Yvain redete seinen Herren mit Père Melvin an. Aber sein Vater war er gewiss nicht, dafür schienen die beiden altersmäßig zu nahe beieinander zu sein. Immerhin war dieser Diener wohl mit mir einverstanden, denn er hielt freundlich die Lider gesenkt und ließ mich an seinen Fingern schnuppern. Sehr geruchlos, vielleicht ein Hauch Seifenlauge. Er hatte einen Stapel weißer Gewänder mitgebracht, die er anschließend in eine Truhe räumte.
    Ich nahm meine Pflichten wahr und mauste zwischen den Bücherregalen.
    Sehr erfolgreich.
    Darüber vergaß ich die seltsame Begegnung in der Kirche eine Weile.
     
    Ich spürte es an den Schnurrhaaren. Sie sind sehr empfindlich, und ich richte mich immer nach ihrem Rat. Im Gegensatz zu den Vorschlägen, die mein Schwanz mir manchmal macht. Sie vermittelten mir eine Wetteränderung. Vermutlich eine heftige. Der heiße, trockene Sommer ging zu Ende. Der

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