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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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dritte meines Lebens. Im Kloster breitete sich Geschäftigkeit aus, wasaber nichts mit dem Wetter zu tun hatte. Fremde trafen ein und wurden zum Gästehaus geführt, darunter einige recht seltsame Gestalten mit breiten Schlapphüten, die mit Muscheln verziert waren, andere in vornehmer Kleidung, die Leidende begleiteten, Lahme, Blinde, Hinkende, Bucklige. Wallfahrer und Pilger wurden sie genannt. Ich schnappte da und dort, vor allem aber in der Küche bei dem trägen Engelbert, ein paar Hinweise auf, worum es ging.
    Jetzt, nachdem mein heftiges Verlangen nach einem Kater abgekühlt war, hatte der dicke Graue sich als durchaus angenehmer Gesprächspartner entpuppt. Viele Jahre lebte er schon in dem Kloster und kannte sich in den Gepflogenheiten der Mönche erstaunlich gut aus. Dass er dabei einige ihrer Schrulligkeiten, wie etwa die Keuschheit, übernommen hatte, konnte ich inzwischen hinnehmen.
    Er berichtete mir in seiner umständlichen Art, es sollte am Sonntag eine besondere Messe gehalten werden, bei der sich diese Menschen um die »Not Gottes« versammeln würden. Das war auch so ein komisches Ding, das mich in der Basilika vor einigen Tagen fürchterlich gefoppt hatte. Nichts ahnend war ich hinter einem von Meister Clemens geworfenen Stopfen hergehetzt, als ich mich plötzlich vor einer weiblichen Gestalt wiederfand, die einen ziemlich übel zugerichteten Mann auf dem Schoß hielt. Sie sah ganz traurig aus, und er schrecklich leidend. Aber weder er noch sie gaben die Jammerlaute von sich, die man von Menschen gewöhnlich in dieser Situation erwarten konnte. Wieder war ich an der Nase herumgeführt worden. Die waren nicht echt, stellte ich nacheiner vorsichtigen Überprüfung fest. Sie rührten sich nicht, als ich sie anstupste. Tot waren sie aber auch nicht. Sie rochen einfach nach Holz. Pah! Aber offensichtlich bedeuteten sie den Menschen etwas, denn der Malermeister meinte, das sei die Schmerzensmutter Maria mit ihrem Sohn Jesus, und es täte ihm sehr Leid, dass er den Stopfen gegen sie geworfen habe. Die Pieta sei nämlich heilig und würde Wunder wirken.
    Wegen dieser Heiligkeit und der Wunder waren also die Wallfahrer gekommen. Ich war gespannt, was diese Wunder so bewirken würden.
    Am Tag zuvor gab es rege Tätigkeiten in der Kirche. Der Gärtnerbursche Meiko kam herein und erklärte Meister Clemens – der an diesem Tag wieder eine Frau war –, er solle ihm helfen, die beiden ersten Vorhänge abzunehmen, da der erste Teil der Gemälde den Besuchern gezeigt werden sollte.
    »Ich halte nicht viel davon, ein halb fertiges Fresko vorzuzeigen!«, murrte Meister Clemens unwillig.
    »Der Abt hat es aber angeordnet. Beschwert Euch bei ihm, nicht bei mir. Oder taugen die Bilder nichts?«
    Die Malerin gewann meine Sympathien endgültig, denn sie schoss einen blitzenden Blick auf Meiko ab, dessen Bedeutung sowohl in kätzischer wie auch in menschlicher Diktion unverkennbar war.
    Sie und Meiko machten sich also daran, Gerüst und sonstige Gerätschaften in eine der hinteren Ecken zu räumen und auf eine Leiter zu klettern, um die langen Stoffbahnen abzunehmen. Dabei entdeckte mich der Gärtnerbursche leider.
    »Schau an, hier treibt sich die Mirza also herum!«,stellte er fest, und Meister Clemens, meine Freundin, nahm mich in Schutz.
    »Sie kommt am Vormittag hin und wieder vorbei, aber sie stört mich nicht. Zu wem gehört sie?«
    »Sie soll in der Bibliothek Mäuse fangen.«
    »Das kann sie ja wohl den Rest des Tages erledigen. Ich mag Katzen. Und ich freue mich, dass ich jetzt ihren Namen kenne.«
    Meiko wurde wieder schmallippig und wortkarg. Ich verließ angewidert die Basilika.
    Es war schwül geworden, und grauer Dunst verhüllte die Sonne. Das schlug mir ebenfalls aufs Gemüt. Träge und unaufmerksam schlenderte ich an der Friedhofsmauer entlang, ohne besonders auf die Umgebung zu achten. Darum machte ich einen Satz mit allen vier Beinen gleichzeitig, als ich übel von oben angepflaumt wurde.
    »Na, wieder bei den Menschen eingeschleimt?«
    Er saß auf der bemoosten Steinmauer, eine schimmernde, schwarze Statue mit einem hinterhältigen, gelben Auge.
    »Habe ich gar nicht nötig!«
    »Ach was? Sie legen dir wohl die Mäuse zu Füßen, Prinzesschen?«
    »Sie legen mir Hühnerfleisch vor und Milch. Aber solche zivilisierten Delikatessen dürften dir wohl fremd sein.«
    »Meinst du? Ich bekomme genauso mein Hühnerfleisch und meine Sahne. Aber ich erwerbe sie mir auf ehrliche Weise.«
    »Du plünderst im

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