Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl
seinem Rundgang an. Mein Schwanz hatte schneller als ich sein Fell wieder geglättet, aber der war ja auch ein Opportunist. Mein Geschmack war der Friedhof nicht, zu düster, zu schattig, zu sehr mit seltsamen Schwingungen erfüllt. Doch an die obere Seite grenzten die Pferdekoppel und die Stallungen, und da wurde es lichter.
»Halte dich von den Stalljungen fern. Sie quälen Katzen zu gerne. Der Hufschmied ist soweit in Ordnung. Wenn es sehr kalt ist, kann ich bei ihm Unterschlupf finden.«
Ich nickte und versprach, das zu beherzigen. Dann sah ich eine männliche Gestalt auf die Ställe zugehen und machte mich vorsorglich ganz klein hinter einem Busch.
»Uh, und da kommt dieser widerliche Arnoldus!«
»Eine üble Ratte. Er hat ein eigenes Pferd in den Ställen stehen und reitet alle paar Tage aus. Tut immer ungeheuer wichtig.«
»Ich würde ihm gerne mal die Kralle überziehen.« »Du gehst ihm aus dem Weg!«
Ein Befehl, nicht etwa ein Hinweis. Ich mochte diesen Ton nicht.
»Spar dir deinen Rat«, fauchte ich also zurück und hüpfte auf die Mauer zur Koppel. Für mich war das Gespräch beendet, ich befand mich wieder auf meinem eigenen Terrain.
Melvinius musste ich mehrmals maunzend und murrend auffordern, mir seine Aufmerksamkeit zu schenken. Er hatte sich tief in das neue Buch vergraben und vergaß darüber ganz den Spaziergang, den er seiner Gesundheit zuliebe unternehmen sollte. Am Nachmittag schließlich machte er sich auf den Weg. Ich verließ ihn oberhalb der Kuhställe und schlenderte noch einmal zur Basilika.
Meister Clemens stand auf seinem Gerüst und malte mit Inbrunst einen belaubten Zweig, der in den blauen Himmel ragte. Der Busch, aus dem er hervorwuchs, war lebhaft grün und sah aus, als könne man sich darunter verstecken. Die Blätter aber, die Clemens malte, waren leuchtend rot.
Ich war verdutzt.
Meiko kam kurz nach mir und beschäftigte sich mit dem Gestühl. Er hämmerte und schliff und schmirgelte und polierte und summte dabei ein wortloses Liedchen.
»Nicht ganz passend für diese heiligen Hallen!«, kam es irgendwann von Meister Clemens. »Hier singt man Psalmen und keine rauen Seemannslieder von untreuen Liebchen!«
»Ich habe meinen eigenen Psalmentext zu der Melodie, die Euch wohl mit bedenklichem Wortlaut bekannt ist!«
Meiko sammelte seine Werkzeuge zusammen und ging grinsend zu der Wand, an der Clemens die letzten Pinselstriche ausführte. Sein Grinsen wurde tiefer, als er die quietschend roten Blätter bemerkte, aber seltsamerweise sagte er nichts.«
»Fertig für heute?«
»Fertig für heute!«
Der Maler sprang vom Gerüst herunter und begann seine Werkzeuge auch sehr ordentlich zu säubern und einzuräumen.
»Nun, dann gehabt Euch wohl, Meister. Und einen Gruß an die Jungfer Kristin. Ich habe sie vorhin mit einem Korb im Wald verschwinden sehen. Es wird heute wohl eine reiche Pilzmahlzeit geben.«
»Ich hoffe es. Auch dir einen schönen Abend, Meiko.«
Der Gärtnerbursche schulterte seine Werkzeugkiste und verließ mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck die Basilika. Ich schlich mich zu Clemens hin, der mir zuvorkommend noch zweimal den Stopfen durch den Raum warf. Dann aber kam in der Tat Kristin mit einem Korb voller Pilze herein.
Ein Blick auf die Wand, und sie schlug die Hände vor den Mund.
»Clemens!«
»Was ist, Schwesterchen? Etwas nicht recht?«
»Du hast die Töpfe verwechselt. Die Blätter sind rot!«
»Oh! Schande!«
»Hat das jemand gesehen?«
»Meiko. Aber er hat nichts gesagt. Vielleicht glaubt er ja, das soll so sein.«
»Wie konnte denn das passieren? Ich habe dir die Farben genau in derselben Reihenfolge hingestellt wie immer!«
Ich brachte den Stopfen an, um auf mich aufmerksam zu machen.
»Ich – oh, ich weiß, was passiert ist. Wir haben heuteMorgen dieses schöne Wurfspiel gemacht, und dabei ist Mirza auf den Tisch gesprungen. Die Töpfe sind verrutscht, und Meiko und ich haben sie gerade noch vor dem Herunterfallen retten können. Dabei muss das Rot und das Grün vertauscht worden sein. Liebes, kannst du das morgen richten? Ich schabe den Putz an der Stelle ab und lege dir neuen auf.«
»Keine Sorge, ich mache das schon. Ich helfe dir am besten jetzt gleich, damit es schneller geht.«
Während sie zügig Hand in Hand arbeiteten, sagte Clemens: »Du hast dem heiligen Joseph das Gesicht von einem der Patres hier gegeben.«
»Ach, Melvinius, ja. Er ist der Bibliothecarius, und Mirza ist eigentlich seine Katze. Deshalb.
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