Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
klar zu machen, starrte ich ihn in Grund und Boden.
    Er hatte den Anstand, nach kurzer Zeit wegzublicken.
    »Ah, Meiko, was hast du denn da mitgebracht?«, fragte eine ebenfalls staubige, alte und trockene Stimme. Ich drehte mich abrupt zu ihr hin. Ein großer, hagerer Mann in einer langen, weißen Kutte war in den Raum getreten und streifte mich mit einem Lächeln im Blick.
    »Die Antwort auf Eure Probleme, Pater Melvinius. Sie wird die Mäuse fangen, die die wertvollen Pergamente hier in der Bibliothek annagen.«
    »Keine schlechte Idee, Meiko. Wie bist du zu ihr gekommen? Du hast sie doch hoffentlich nicht einem Besitzer abgenommen?«
    Besitzer, was für ein Blödsinn. Eine Katze wird doch nicht besessen!
    »Sie lebte in dem Haus der alten Moen, drüben in Dellenhofen. Aber die Moen ist heute Nacht gestorben, und ich dachte, bevor sie zur Streunerin wird, kann sie Euch hier nützlich sein. Nahrung wird sie genug finden!«
    Mit seiner verunstalteten Hand strich Meiko ganz unerwartet sanft über den ledernen Einband eines Buches.
    »Seht, selbst hier haben die Nager schon ihre Spuren hinterlassen.«
    »Ja, es ist eine Schande, da hast du Recht. Aber woher kennst du denn die alte Moen?«
    »Der Bruder Gärtner – äh – meinte, sie habe einen winterharten Thymian. Ich wollte ihr ein Pflänzchen abschwatzen.«
    Schamloser Lügner, der! Der Thymian wuchs im Garten, er aber hatte das Haus durchsucht! Ich wollte noch einmal empört fauchen, aber da kam der Pater noch etwas näher und streckte langsam die Hand nach mir aus. Ich machte eine ebenso langsame Rückwärtsbewegung.
    »Keine Angst, meine Kleine, keine Angst.«
    Er hatte eine seltsame Art zu sprechen. Nicht so wie die Moen oder die Dorfbewohner. Er verwendetedieselben Worte wie sie auch, aber sie klangen anders aus seinem Mund. Weicher vielleicht, ein wenig melodischer. Es gefiel mir, wenn ich ehrlich sein wollte. Er hatte ein von Falten durchzogenes Gesicht, das den trockenen, dünnen Lederhäuten, die hier zu Hauf herumlagen, sehr ähnlich war. Seine Haare hingegen waren schneeweiß und bis auf die hohe Stirn noch voll und üppig; sie lagen leicht gelockt auf seiner Schulter. Auch sein Bart schimmerte weiß und wellte sich bis über seine Brust. Die Augen, die mich unter halb gesenkten Lidern nicht unfreundlich musterten, waren hellblau mit einem dunklen Rand, und ich konnte das Gefühl nicht loswerden, sie müssten schon ungewöhnlich viel gesehen haben.
    »Du bist eine hübsche Katze, Kleine, und wir sollten deshalb auch einen hübschen Namen für dich finden, nicht wahr?«
    Name ist gut, dachte ich. Das gibt einem Persönlichkeit. Natürlich kannte ich meinen eigenen Namen – jede Katze hat einen, doch der wird nicht bereitwillig preisgegeben. Für das Zusammenleben mit Menschen tat es einer, den sie wählten. Er war ohnehin meist aus unserer Sprache entlehnt, soweit sie sie denn beherrschten. Miez, Maunz, Mieschen riefen sie uns zumeist. Die Moen war etwas einfallsreicher gewesen. Oder sie hatte besser hingehört. Sie nannte mich Mirza. Ich murrte leise »Mirrr-zaah« zu dem weißen Mann, und er sagte: »Mirza«. Kluger Kerl.
    »Tja, Meiko, damit scheint die Sache besiegelt zu sein. Ich werde dafür sorgen, dass Mirza hier ein neues Zuhause hat. Hast du die Angehörigen der Moen verständigt?«
    »Nein, ich kenne sie nicht. Aber ich habe den Nachbarn Bescheid gegeben. Sie werden für alles Weitere sorgen. Und jetzt werde ich mich wieder um den Garten kümmern, Pater Bibliothecarius!«
    Ohne sich von mir zu verabschieden, stapfte der Stoffel aus der Bibliothek. Ich blieb mit Pater Melvinius alleine. Noch immer hatte ich meinen Platz auf dem Bord nicht verlassen.
    »Ich kann mir vorstellen, dass du ein wenig verängstigt bist. Meiko hat dich eingefangen und dich hergeschleppt. Du wirst wohl ein paar Tage lang dein altes Heim vermissen.«
    Ziemlich verständnisvoll, der Alte. Jetzt brauchte er eigentlich einfach nur die Tür aufzumachen und mich in den Sonnenschein hinauszulassen. Aber das war nicht sein Bestreben. Stattdessen hielt er mir wieder seine Finger vor die Nase. Na gut, ich tat ihm den Gefallen und schnüffelte daran. Wie nicht anders zu erwarten – trockenes Leder, Pergament, Tinte. Immerhin nicht zu unangenehm. Ich ließ mir ein leichtes Kraulen gefallen. Das konnte er recht gut.
    »Du bist schön, meine Freundin! Aber es sind ziemlich viele Flecken an dir!«, murmelte er und schien belustigt. Warum, verstand ich nicht. Natürlich sind Flecken

Weitere Kostenlose Bücher