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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Klopfen ihres Herzens hatte aufgehört.
    Die alte Moen war tot.
    Darüber musste ich nachdenken.
    Ich tat es in meiner Lieblingsecke in dem dritten Raum der Hütte, dort, wo sie die Kräuterbüschel zum Trocknen an die Decke gehängt hatte. Es duftete gut dort, und bedauerlicherweise döste ich überm Denken ein. Manchmal passiert mir das leider.
     
    Eine Männerstimme weckte mich. Eine fremde Stimme!
    »Moen! Moen, meine Alte. Was sind denn das fürneue Sitten? Mitten am Tag ein Schläfchen zu machen!«
    Ich machte mich klein und unauffällig und spähte durch die halb geöffnete Tür. Der Mann war groß und knochig. Er trug ein grob gewebtes Hemd und ebensolche Hosen, hatte hohe, erdverkrustete Stiefel an den Beinen und einen derben Gürtel umgeschnallt. Die Haare hingen ihm wirr in den Nacken, sein Gesicht war stoppelbärtig, von der Sonne dunkel gebrannt, sodass seine graugrünen Augen hell darin leuchteten. Die aufgerollten Ärmel zeigten muskulöse, gebräunte Arme. Ein Bauer wahrscheinlich. Oder ein Fuhrmann. Auf jeden Fall stammte er nicht aus dem Dorf, sonst hätte ich ihn erkannt.
    »Moen? Oh, mein Gott, Moen. Das darf nicht wahr sein!«
    Er fühlte nach ihrem Herzschlag und lauschte auf ihren Atem. Aber ich wusste ja schon – da war nichts mehr.
    »Ach, Moen, meine arme Alte. Gerade jetzt musste es geschehen.«
    Er stand einen Moment mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen an dem Sessel. Dabei fiel mir auf, dass ihm an der linken Hand der kleine Finger und der halbe Ringfinger fehlten.
    Nach einer Weile rührte er sich wieder und machte sich sehr zielstrebig daran, die Hütte zu durchsuchen. Das stimmte mich außerordentlich misstrauisch. Die Moen mochte es nämlich gar nicht gerne, wenn man bei ihr herumschnüffelte. Er öffnete ihre Truhen und Kästen, schaute in den Alkoven, in dem sich ihr Bett verbarg, lugte unter die Kissen und hob sogar die Strohmatratzean den Ecken an. Er tastete mit der Hand die Dachsparren ab und klappte die Läden auf und zu. Ein sehr seltsames Benehmen. Dann kehrte er zu der Moen zurück. Er schien recht kräftig zu sein, denn jetzt hob er den leblosen Körper der alten Frau mühelos hoch und bettete ihn auf ihr Lager. Sanft zog er die Decke über sie.
    Zuletzt untersuchte er noch den Sessel, auf dem sie eingeschlafen war. Dann näherte er sich meiner Ecke, wohl in der Absicht, hier in alle Töpfe und Kisten, Körbe und Kiepen zu schauen. Ich schlich mich geduckt an der Wand entlang zum Kamin. In der Stube hockte ich mich hinter das Feuerholz und beobachtete ihn weiter.
    Während er weiter stöberte, entdeckte ich das schimmernde Scheibchen. Ach ja, das war ein lustiges Spiel, das die alte Moen mir beigebracht hatte. Wenn man es richtig machte, dann kullerten diese runden Dinger über den Boden. Und sie hatte mich immer gelobt, wenn es mir gelang, eines davon in die Ritze zwischen den Dielenbrettern neben dem Kamin zu schnicken. Es fiel dann mit einem leisen »Pling« nach unten. Ein hübsches Geräusch. Wir hatten das Spiel gestern Abend noch gespielt, und dieses Scheibchen hatte ich wohl übersehen.
    Gewandt wie ich nun mal war, gelang es mir in kürzester Zeit, auch dieses letzte Spielzeug an die richtige Stelle zu schubsen.
    »Pling«, sagte es.
    Der Mann wurde auf mich aufmerksam.
    »Eine Katze!«, stellte er fest, was ich bestätigen konnte. Das bin ich nun mal. Es hörte sich auch erfreut an, denn er fügte hinzu: »Du bist ein Geschenkdes Himmels, Kleine. Du kannst zumindest den größten Schaden abwenden!«
    Dann aber machte er sich höchst unbeliebt bei mir. Ehe ich michs versah, warf er eine Decke über mich und wickelte mich fest darin ein. Ich konnte zappeln, wie ich wollte, ich kam nicht heraus. Dann wurde ich in einen Korb gepackt, der eine lange Zeit furchtbar hin und her schwankte.
    Mir war gar nicht gut.
     
    Endlich hörte das Schwanken auf, und die Decke lockerte sich. Ich krabbelte sofort heraus und fauchte zornig. Dabei sah ich mich um, um so bald wie möglich die Flucht ergreifen zu können. Aber, verflixt, hier war ich ja noch nie gewesen! Was war das denn für ein Stall? Vier Wände, vier Fenster, viel Holz und der durchdringende Geruch nach trockenem Staub, altem Leder und feuchter Tinte. Ich sprang auf ein Bord an der Wand, auf dem einige Bücher lagen, und machte mich so gut es ging unsichtbar. Doch der Mann, der mich so brutal entführt hatte, stand neben einem Pult und sah mich mit kalten, durchdringenden Augen an. Ich hasste ihn. Um ihm das

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