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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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vertiefen. Und hier wurde es dann wirklich sehr lehrreich. Ich saß auf dem Fenstersims und putzte mir müßig das Hinterteil. Es war nicht das Fenster von Pater Melvinius’ Kammer, sondern jenes, hinter dem das Sprechzimmer des Abtes Ignaz lag. Es war nicht ganz geschlossen, und so wurde ich Zeuge des Gespräches, das darinnen stattfand. Der Abt hatte augenscheinlich den Diakon Arnoldus zu sich gebeten und ihm ein paarVorwürfe gemacht. Welcher Art sie waren, hatte ich leider nicht mitbekommen. Jetzt nämlich redete Arnoldus, und er legte gute Gründe dafür dar, weshalb er sich so tadelnswert benommen hatte. Ich fand es bemerkenswert, denn mit erstickter Stimme sprach er von seinem lieben und guten Freund, der ein so frommer Mensch sei, doch immer wieder den weltlichen Versuchungen erlag. Er, der seelsorgerische Diakon, versuche immer wieder, ihn auf den rechten Weg zurückzuführen, doch der Freund mit dem bedauerlichen Charakterfehler – sonst ein wirklich tief gläubiger Christ – verlange von ihm immer wieder, dass er, der Diakon, an seinen Ausschweifungen mit teilhabe.
    »Er erliegt sehr leicht dem großen Verführer, gegen den sich zu wehren ihm unsagbar schwer fällt. Ich hingegen widerstehe, Vater Abt, solange es mir möglich ist. Aber um seine Seele nicht vollends auf den Pfad der Hölle abgleiten zu lassen, muss ich ihn gelegentlich auf seinen Abwegen begleiten, um Schlimmeres zu verhindern. Ich tue es ungern, Vater Abt, und mit großem Widerwillen. Ich weiß, es wirft ein schlechtes Licht auf mich, doch muss ich es als eine Art auf opf erungsvollen Freundschaftsdienst ansehen.«
    Der Abt grummelte etwas, das ich nicht verstehen konnte, und Arnoldus fuhr mit flehender Stimme fort: »Ihr liebt ihn doch auch, Vater Abt. Ihr seid ihm herzlich zugetan. Lasst mich weiter um ihn sorgen. Ich kenne seine Schwächen, und es wird der Tag kommen, da überwindet er diesen Makel. Er hat dem Kloster schon viel Gutes getan, Vater Abt. Und seine Mutter war beinahe eine Heilige. Seit vierzehn Jahrenkenne ich ihn nun schon. Wir waren beide junge Männer, und obwohl ich nur zwei Jahre älter bin als er, hat er sich damals schon meiner Führung anvertraut. Lasst mich weiterhin die Möglichkeit nutzen, ihn zu läutern.«
    Die Stimme des Abtes klang milde resigniert, aber Arnoldus bedankte sich geradezu überschwänglich. Offenbar hatte er die Einwilligung bekommen, auch weiterhin an den Ausschweifungen seines Freundes teilnehmen zu dürfen.
    So viel zur Sünde. Wenn sie genehmigt wird, darf man sie begehen, wenn man sie beichtet, wird man von ihr freigesprochen.
    Die Menschen waren mehr als wunderlich, aber das Kapitel Sünde war wirklich ein lächerliches.

Ein ganz übles Kapitel
    Ich hatte noch einen behaglichen Gang durch die Hecken gemacht, und wie der Zufall es wollte, führte mich meine Jagd nach fetten Mäusen immer näher an Diabolos Wirkungskreise. Nicht, dass ich das bewusst so betrieben hätte. Es ergab sich irgendwie. In der Schmiede hörte ich Meiko mit dem Hufschmied plaudern, darum verzichtete ich darauf, dort einzukehren. Den haltlosen Vorwürfen einer angeblichen Pflichtvergessenheit wollte ich mich nicht wieder aussetzen. Die Pferdeställe waren jedoch ganz nah, und da ich die noch nie besucht hatte, wollte ich jetzt dieses Versäumnis nachholen. Mit lässiger Ignoranz übersah ich die warnenden Markierungen, die Diabolo am Torpfosten hinterlassen hatte und schaute mich im Dämmerlicht des Stalls um. Die großen Tiere standen in ihren Boxen und mampften Heu und Hafer aus ihren Krippen. Hin und wieder schnaubte eines oder scharrte mit den Hufen im Stroh. Es war ein beschauliches Geräusch, und auch die Ausdünstungen der Pflanzenfresser empfand ich als angenehm. Zehn dieser Tiere gehörten dem Kloster, und zugegebenermaßen sahen sie weit eleganter aus, als die stämmigen Bauernpferde, die Wagen und Ackergerät der Bauern zogen. Engelbert hatte mir anvertraut, der Abt lege großen Wert auf edle Rösser, da er häufig hohe kirchlicheund weltliche Würdenträger besuchte und standesgemäß aufzutreten wünschte. Offensichtlich mussten Menschen, die Würde trugen, von der Würde anderer in Form von edlem Reitgetier beeindruckt werden. Manchmal überkam mich grenzenlose Erleichterung, dass kätzische Würde eine andere Ausprägung hat. Wir tragen sie ganz einfach in uns, nicht vor uns her.
    Ich stöberte ein wenig in den Ecken herum und sah mich sehr vor, nicht zwischen die Beine der Rösser zu kommen, obwohl

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