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Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl

Titel: Die Lauscherin im Beichtstuhl - Die Lauscherin im Beichtstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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seufzte leise.
    Ich hob neugierig meinen Kopf. Es fiel nur noch das Licht des abnehmenden Mondes durch das Stalltor, doch für mich reichte es aus, den Mann zu mustern, den ich zunächst für einen üblen Gesellen, rohen Entführer und herzlosen Grobian gehalten hatte. Es warSonntag, und er hatte sein Gesicht von den Bartstoppeln befreit. Die Haare hatte er ordentlich gebändigt, auch wenn sich nach der Rangelei mit dem Diakon einige Locken aus dem Zopf gelöst hatten. Nun hatte ich Muße, seine Züge erstmals in Ruhe in Augenschein zu nehmen. Wenn ich es recht bedachte, waren sie weder grob, noch trug er einen herzlosen Ausdruck. Es lag Sorge und eine gewisse Traurigkeit darin. Auch an ihm nagte etwas, genau wie an Melvinius. Wahrscheinlich das Geheimnis.
    Vorsichtig versuchte ich, meine Glieder zu bewegen. Meine Hinterbeine schmerzten noch in den Gelenken, aber die Schultern und der Rücken waren so weit wieder in Ordnung. Das Stroh hatte die schlimmsten Folgen des hässlichen Wurfs verhindert. Zugegebenermaßen hatte ich es wohl Meiko zu verdanken, dass ich nicht mit eingeschlagenem Schädel auf dem Stallboden lag. Er musste dem Diakon in den Arm gefallen sein, als der mich auf diese entsetzliche Art herumschleuderte.
    Zwar hatte er mich einst gegen meinen Willen entführt, aber heute hatte er mir das Leben gerettet.
    Ich schnurrte ganz leise meinen Dank.
    Er sah mich an.
    »Besser?«
    »Mau!«, sagte sich leise. Ich ließ es mir gefallen, dass er mich abtastete.
    »Deine Katzenbalgerei war schlimmer. Und die hast du auch ganz gut überstanden.«
    Wahrscheinlich hatte er Recht. Aber eine Katzenbalgerei versetzt einen nicht dermaßen in Angst. Das furchtbare Gefühl des Ausgeliefertseins hatte ich nochnicht ganz überwunden. Deshalb war ich ganz froh, als er mich schließlich auf den Arm nahm und mich zu Melvinius’ Fenster brachte. Hier, in meiner heimischen Umgebung, würde auch das Entsetzen allmählich vergehen.
    Ich war ihm auch ganz dankbar, dass er dem Pater nichts von diesem Abenteuer erzählte, denn der hätte sich nur wieder aufgeregt und ein holperndes Herz bekommen.
     
    Melvinius bemerkte auch mein leichtes Hinken nicht, das sich schließlich nach einem ausgiebig verdösten Tag fast gelegt hatte. Er warf mir lediglich eine gewisse Faulheit vor, aber es klang nicht richtig streng aus seinem Mund.
    Es herrschte dichter Nebel, als ich zwei Tage später am frühen Morgen Richtung Forellenteich aufbrach. Mir stand der Sinn nach einem Besuch bei Raguna, denn in der letzten Zeit hatte ich allzu viel mit den Menschen zu tun gehabt, und etwas kätzische Gesellschaft würde mir gut tun. Die Luchsin und ich hatten eine lockere Verabredung in der Morgen- und Abenddämmerung am Waldrand. Wir hatten uns zwar nicht mehr gesehen, seit sie Kristin so erschreckt hatte, doch die Markierungen an der hohlen Eiche, die wir beide zum Austausch von kurzen Botschaften nutzten, waren eindeutig.
    Ich wollte Raguna eine Freude machen und angelte einen Fisch aus dem Teich. Nicht so sehr groß, damit ich ihn einigermaßen bequem schleppen konnte.
    Sie saß auf einem abgebrochenen Baum, der von Moos und einem hängenden Efeubart überzogen warund in den wabernden Nebelschleiern wie ein buckliger, alter Mann aussah.
    »Der Fratz hat mir eine Nascherei mitgebracht!«, schnurrte sie wohlwollend und verschlang die kleine Forelle mit einem Bissen. Zufrieden leckte sie sich die Lippen und lud mich ein, neben ihr ein Stückchen weiter in den Wald zu wandern.
    Feuchtigkeit tropfte von den Blättern, und unsere Ballen berührten glitschiges Laub. Ein Eichhörnchen flüchtete keckernd vor uns und warf mit Bucheckern. Kreischend erhob sich ein Eichelhäher und segelte wie ein Geisterschatten zwischen den hohen Stämmen auf einen anderen Baum zu. Es roch durchdringend nach Moder und Pilzen.
    Raguna hatte eine kleine Lichtung gefunden, an deren einer Seite ein alter Steinhaufen lag.
    »Das sind doch Menschenspuren«, stellte ich erstaunt fest, weil Raguna Ansiedlungen strikt mied.
    »Sie haben hier auch einst gelebt, aber das ist lange her. Es ist trocken unter den Steinen, und wer hier verscharrt wurde, hat seine Ruhe längst gefunden.«
    Wir schlüpften in den Unterstand, putzten uns die Feuchtigkeit ab und wärmten uns gegenseitig das Fell. Ich plauderte ein wenig über die letzten Erkenntnisse, und Raguna lauschte aufmerksam. Bei Arnoldus miesem Benehmen fauchte sie wütend, über die Sünden und die Beichte hingegen lachte sie herzhaft.

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