Die Laute (German Edition)
Leute in Trachten und klobigen Wanderschuhen.
Er hat von zwei Zimmern gesprochen. Sonst hätte ich auf eine Rückkehr nach Krakau noch in dieser Nacht bestanden. Angeblich bekäme er kein Auge zu, wenn ein fremder Mensch mit ihm im selben Raum schlafe. Klassenreisen seien für ihn immer eine absolute Qual gewesen. Ich glaube ihm, denn es passt zu ihm, zumindest zu dem Bild, das ich von ihm habe.
Doch nun stellt sich plötzlich heraus, es stünde hier im
Belvedere
, trotz der Schneelosigkeit, mitten in der Woche und außerhalb der Hochsaison, nur noch ein Doppelzimmer zur Verfügung. Leider habe es einen Fehler bei der Buchung gegeben.
Rafał schaut mich fragend an. Ich finde in seinem schuldbewussten Gesicht keinerlei Hinweis auf eine Intrige oder einen Hinterhalt. Resigniert zucke ich mit den Achseln und gebe ihm zu verstehen, dass doch er es sei, der zu zweit in einem Raum keinen Schlaf finde.
Es in einem anderen Hotel zu versuchen, kommt für Rafał offenbar nicht in Frage. Dabei dürften die meisten Unterkünfte leer stehen. Aber entweder das beste Hotel am Platz oder gar kein Hotel. Und in gewissem Sinne hat er ja recht. Man darf sich einen so außergewöhnlichen Tag nicht durch ein mittelmäßiges Ende zerstören lassen. Unser Zimmer hat eine schöne alte Eichendecke, und im Bad gibt es eine Fußbodenheizung.
Wir haben beide kein Gepäck dabei. Wahrscheinlich hätte mich eine Reisetasche auf dem Rücksitz seines Cabriolets auch stutzig gemacht. Also schlendern wir vor dem Abendessen noch die ulica Kropówski, die Hauptstraße von Zakopane entlang, auf der alle Geschäfte geöffnet haben, wenn auch in den meisten die Verkäufer mit sich und ihren Waren alleine sind.
Rafał lenkt seine Schritte zielstrebig in den Laden eines teuren Herrenausstatters. Rasch wählt er unter den wenigen Modellen ein Paar Socken und Unterwäsche aus, womöglich die gewohnten Marken. Er fragt mich, ob ich nicht auch etwas bräuchte. Ich schüttle entschieden den Kopf und versuche, meine Scham so gut es geht zu verbergen. Am Ende kauft Rafał zwar wenig, aber der Verkäufer scheint mit diesem Kunden zufrieden, als er mit einem geradezu strahlenden Gesichtsausdruck Rafałs Kreditkarte entgegennimmt.
Mir ist unterdessen, vielleicht noch von der serpentinenreichen Fahrt, so übel, dass ich mich einen Augenblick setzen und einen starken Espresso trinken muss. Besorgt klemmt Rafał das Seidentütchen mit seinen Einkäufen unter den Arm und führt mich ebenso selbst- wie zielsicher in die Bar, in der es ohne jeden Zweifel den besten Espresso Zakopanes gibt.
Die Betten stehen zwar durch ein schmales Nachtschränkchen voneinander getrennt, aber trotzdem ist mir das alles immer noch zu nah. Natürlich handelt es sich um ein geräumiges Zimmer mit direktem Blick auf die Fichtenhänge und die berühmte Olympiaschanze. Dennoch fühle ich mich hier so beengt, als habe man mich mit Rafał zusammen in eine fensterlose Kerkerzelle gesperrt.
Er kommt mit einem großen, makellos weißen Hotelbadetuch um die Hüften aus unserem fußbodenbeheizten Bad, packt die neue Markenwäsche aus und kleidet sich mit größter Selbstverständlichkeit vor meinen Augen an. Ich starre weiterhin auf die dünnen, zweispaltigen Seiten der Hotelbibel, die ich in unserem Nachtschränkchen gefunden habe, ohne auch nur ein Wort von dem Sermon vor meinen Augen zu verstehen. Sein haarloser Oberkörper ist durchtrainiert und von einer gesunden, nur leicht gebräunten Farbe. So sieht vielleicht ein Tennischampion aus, aber sicher kein rachitischer oder schwindsüchtiger junger Komponist! Wie kann man das Werk eines Menschen noch ernst nehmen, dessen Körper ein so makelloses Kunstwerk darstellt! Nun sehe ich natürlich ein, dass man einen so edel geformten Leib nicht mit einem Discounterslip beleidigen darf.
Er gebärdet, das Bad sei nun frei, wenn ich mich vor dem Abendessen noch frisch machen wolle. Ich erwidere, ich sei bereits startklar. Bräuchte nur noch meine Sneakers überstreifen. Er lächelt und nickt. Nein, ich muss ja nicht nur ihn, er muss ja auch mich auf engstem Raum ertragen. Vermutlich kommt es uns beiden entgegen, wenn ich es mit der körperlichen Hygiene nicht übertreibe.
»Ich verstehe dich gut«, gebärdet Rafał während des Abendessens. »Auch ich fühle mich oft fehl am Platz. Nur dass ich über mein Einsamkeitsbedürfnis unauffälliger zu wachen weiß!«
Ich glaube ihm kein Wort.
»Ich will dir ein Geheimnis verraten«, fährt er fort.
»Ich
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