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Die Laute (German Edition)

Die Laute (German Edition)

Titel: Die Laute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roes
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eines Mannes bis zu jener Zeit, wo er Gelegenheit gehabt, sein wahres Wesen im Rat oder auf dem Kriegspfad zu zeigen, was mir noch nicht zuteil geworden ist.«
    »Sagt mir Euren Namen«, wiederholt Hetty, ihn ohne Arg anblickend, »und vielleicht sage ich Euch dann Euren Charakter.«
    »Darin liegt einige Wahrheit, obgleich sie oft fehltritt. Die Menschen täuschen sich im Charakter anderer und geben ihnen häufig Namen, die sie in keiner Weise verdienen.«
    Wie wahr das alles ist!, denkt Asis. Auch die Kabilen kennen diese Sitte, für besondere Taten Ehrennamen zu vergeben. Doch ob diese Taten immer auch verdienstvoll sind, darüber ließe sich streiten.
    Genauso ist der umgekehrte Gedanke wahr: der Name, der einem gegeben wird und dann mit einer geradezu magischen Kraft das Leben seines Trägers lenkt und prägt. Woher stammt diese Magie des Namens? Es ist doch nur ein Wort, das seinen Sinn und Wert erst durch den Gegenstand erhält, den es bezeichnet!
    Asis, das heißt: der Starke, Edle, Kostbare oder Angesehene. Und in der Anrede
Asisi
mein Lieber, Teurer. Welche Bürde für einen Menschen, solch einem Namen gerecht werden zu müssen! Wenn nun aber der Name erst das verleiht, was er doch nur bezeichnen sollte?
    Er sitzt im Café Sakran und wartet auf seine Freunde. Er mag den übersüßten Tee nicht, aber das Glas ist so etwas wie die Platzmiete. Und er ist nicht gerne jemandem etwas schuldig.
    Zunächst sind es, statt der Freunde, Heerscharen bettelnder Kinder, Alter und Krüppel, die an seinen Tisch kommen. Er kennt das schon, immer suchen sie sich als ersten ihn aus, mag das Café auch noch so voll mit wohlhabenden Männern sein. Selbst unter den Mitschülern ist er doch einer der Ärmsten, obwohl er nie ein Wort darüber verlieren würde. Ali gibt ihm das Fahrgeld für den Schulbus und legt hin und wieder etwas dazu für das, was Asis sonst noch braucht. Aber nie bittet Asis seinen Gastgeber um etwas. Er schämt sich bereits, dieses Fahrgeld annehmen zu müssen, und würde lieber den weiten Weg zur Schule nach Khor Maksar zu Fuß gehen, als Ali an das Fahrgeld zu erinnern, sollte er es einmal vergessen.
    Warum kommen sie also alle zu ihm, diese Bettler und Hungerleider, wo er doch gar nichts hat, und lassen selbst dann nicht von ihm ab, wenn er seine Taschen leert, in denen sich kaum je mehr als die paar Münzen für den Tee befinden? Alle, die Kinder wie die Alten, sind so hartnäckig, ja manchmal sogar wütend und aufgebracht, als hielten sie selbst seine Taubheit nur für vorgetäuscht, um ihnen ihr verdientes Almosen verwehren zu können.
    Nun ist es ein magerer, nur mit einem Wickeltuch bekleideter Mann, der an seinen Tisch kommt. Unter seiner dunklen, sonnenverbrannten Haut sticht jeder einzelne Knochen hervor. Einer der vielen Obdachlosen der Stadt, denkt Asis. Doch was bin denn ich?
    Mögen in einem Café oder Restaurant auch die meisten Tische frei sein, der jemenitische Besucher setzt sich dennoch unfehlbar an jenen Tisch, der schon von einem oder mehreren Gästen besetzt ist. Lieber drängt er sich mit Fremden zusammen, als allein an einem Tisch zu sitzen. Er käme sich verloren oder ausgeschlossen vor. Wie sehr Asis diese Sitte oder besser Unsitte hasst. Ihm genügt durchaus die Gesellschaft seines Buches.
    Aber dieser merkwürdige magere Fakir setzt sich nicht an Asis’ Tisch. Auch spricht er ihn nicht an. Er blickt nur eine Weile in Asis’ Gesicht. Asis starrt trotzig zurück und ballt die Hände in seinen ansonsten leeren Taschen.
    Dann wendet sich der Fremde ab und setzt sich, mit dem Rücken zu Asis, an einen freien Tisch und winkt dem Wirt.
    Der Wirt ignoriert ihn zunächst und hofft wohl, der Bettler werde freiwillig gehen, wenn er das eine oder andere Almosen eingestrichen habe. Überhaupt ist der Wirt ein mürrischer und wortkarger Mann, der seine Gäste eher widerwillig zu ertragen scheint, als sie willkommen zu heißen.
    Schließlich bringt er dem Alten doch ein halbes Glas Tee. Der Alte legt vierzig Rial auf den Tisch, den Preis für ein volles Glas Tee, und trinkt schweigend das halbe Glas aus.
    Ein neugieriger Junge aus der Nachbarschaft, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, ordentlich gekleidet, mit Schuhen an den Füßen, stellt sich dreist vor den Nacktbrüstigen und mustert ihn mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu.
    Der Alte zieht, von wo auch immer, ein Zwanzig-Rial-Stück hervor und drückt es dem Jungen in die Hand. Der Junge ist zu überrascht, um es

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