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Die Laute (German Edition)

Die Laute (German Edition)

Titel: Die Laute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roes
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fragt nicht seinen Sohn, er fragt den Sergeanten, was vorgefallen sei. Und als der Sergeant ihm erklärt, dass man seinen Sohn betrunken aufgegriffen habe, als er im Café Sakran randalierte, nickt sein Vater, dreht sich zu Amir um und schlägt ihm so heftig ins Gesicht, dass Amirs Nase zu bluten beginnt.
    Amir blickt seinen Vater nicht an. Asis versteht, dass Amir sich schämt. Aber er versteht nicht, warum Amirs Vater nicht zu seinem Sohn hält. Die Polizei hat sich ungesetzlich verhalten. Hat einen Minderjährigen ins Gefängnis gesperrt und erst einen Tag später die Eltern verständigt. Wenn der Vater seinen Sohn schon bestrafen muss, dann nicht vor den Augen dieser Polizisten!
    Haben sie auch Ali al-Halawi benachrichtigt? Wird Ali ihn ebenfalls vor aller Augen züchtigen? – Amirs Vater führt seinen Sohn aus dem Büro, ohne auch nur einen Blick mit Asis gewechselt zu haben.
    Als Ali al-Halawi ins Büro tritt, wirkt er alles andere als unsicher oder verschämt. Er trägt die Uniform des Zollinspektors, obwohl er normalerweise in Zivil zum Dienst geht. Er sieht Asis auf dem Besucherstuhl und wirkt für einen kurzen Augenblick erleichtert. Dann entdeckt er, wie man ihn zugerichtet hat. Er legt dem Jungen kurz die Hand auf die wirren Locken. Dann wendet er sich voll zurückgehaltener Wut an den Sergeanten und verlangt Aufklärung über die Vorfälle vom Vortag. Der Sergeant spürt, dass mit diesem Mann nicht zu spaßen ist. Er bemüht sich, bei den Tatsachen zu bleiben. Doch je mehr Ali erfährt, umso größer wird sein Zorn. Er fordert den Sergeanten auf, seinen Vorgesetzten herzuholen.
    Während sie alleine sind, schweigen sie. Asis weiß nicht, ob Alis Zorn auch ihn mit einschließt. Alis Gesicht wirkt hart und undurchdringlich, fast wie eine Maske.
    Der Sergeant kehrt mit dem Lieutenant ins Büro zurück, jenem, der Asis ins Gesicht geschlagen hat. Der Sergeant hat seinen Vorgesetzten offenbar auf den Besucher vorbereitet. Der Lieutenant begrüßt den Zollinspektor förmlich, setzt sich an seinen Schreibtisch und bittet Ali, sich ebenfalls zu setzen. Doch Ali bleibt stehen.
    Der Lieutenant zieht einen Aktenordner zurate, als sei er mit dem betreffenden Fall nicht ganz vertraut oder als läge die Sache schon weit zurück. Er zieht einige Formulare hervor, offenbar die Papiere, die Asis und Amir unterschreiben mussten. Dann beginnt er, in nüchterner Amtssprache alle Delikte aufzuzählen, die man Asis und seinen Freunden vorwerfe und die sie im Übrigen auch gestanden hätten.
    Ali unterbricht den Lieutenant. Mit eisiger Ruhe weist er auf das Alter und die Behinderung der Jungen hin, listet die Versäumnisse und Verstöße der Polizei auf und droht, falls es über die Festnahme hinaus Misshandlungen gegeben habe, dafür zu sorgen, dass die Verantwortlichen nicht ungestraft davon kämen!
    Ohne eine Antwort des Lieutenants abzuwarten, wendet er sich zu Asis, hilft ihm aufzustehen und schiebt ihn zum Ausgang.
    Asis hält Ali zurück. »Was ist mit Ghufran und Mansur?«, kritzelt er auf seinen Notizblock.
    Ali dreht sich noch einmal zum Lieutenant um. »Was ist mit den anderen?« fragt er.
    »Sie werden abgeholt.«
    »Gut. Ich werde mich erkundigen, wie es ihnen geht!«
    Ihr Klassenlehrer spürt sofort, dass irgendetwas vorgefallen sein muss. Doch niemand rückt mit der Sprache heraus. Und Akram gehört nicht zu jenen Erwachsenen, die so lange nachbohren, bis sie irgendetwas herausbekommen, und sei es auch nur die halbe Wahrheit.
    In der Pause erfährt Asis, dass Ghufran und Mansur noch bis zum Abend auf dem Polizeirevier festgehalten wurden. Die Beamten haben ihnen nicht erlaubt, ihre Handys zu benutzen. Stattdessen haben sie am Nachmittag einen Streifenwagen losgeschickt, um Ghufrans Vater und Mansurs Mutter aufs Revier zu bringen.
    Ob auch Mansur und Ghufran von ihren Eltern verprügelt worden sind? Weder Ghufran noch Mansur verlieren eine Gebärde darüber. Wenn sie sich auch sonst über alles miteinander unterhalten, häusliche Dinge bleiben im Jemen auch unter Tauben ein Geheimnis.
    Nach dem Unterricht drückt sein Klassenlehrer ihm ein Buch mit Stücken von Nagar Juna in die Hand.
    »Wer ist das?«, fragt Asis.
    »Ein gefährlicher Mann. Besessen von der Idee zu schreiben!«, antwortet Akram lächelnd.
    Asis ist dem Namen noch nie begegnet. Aber das muss nichts heißen. Von den meisten Autoren in Alis Bibliothek kennt er die Namen nicht.
    Warum gibt der Lehrer ihm dieses Buch? Natürlich weiß Akram, dass

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