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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Fleisches, brachten ihn an seine Grenzen. Doch jetzt war nicht der Moment, Schwäche zu zeigen. Den armen Teufeln, die wimmernd,
stöhnend oder schreiend auf dem Boden und den Pritschen lagen, konnte er nur helfen, wenn er konzentriert arbeitete.
    »O Gott, diese Schmerzen! Ich halte das nicht mehr aus! Tötet mich! Gebt mir ein Messer, dann mache ich es selbst …«, brüllte ein junger Soldat, der eben hereingebracht wurde. In seinem Brustpanzer steckte der Rest eines Spießes, und die Augen drehten sich irre in ihren Höhlen. Im nächsten Moment verlor er das Bewusstsein.
    Gerwin und Hippolyt waren zu spät nach La Rochelle gekommen. Das Geld wurde gebraucht, aber die Landsknechte von Wilhelm dem Schweiger waren schon weitergezogen. Das Wiedersehen zwischen Hippolyt und seinem Freund Hinrik Huntpiss war trotz der drückenden Umstände herzlich ausgefallen. Sie hatten den Hauptmann schwerkrank in La Rochelle vorgefunden. Eine frische Schussverletzung am Arm, ein hartnäckiges Fieber und schwächende Durchfälle hatten ihm zugesetzt. Dank Hippolyts Behandlung erholte Huntpiss sich so weit, dass sie die Festung am Atlantik verlassen und den reformierten Truppen ins Périgord folgen konnten.
    In der Zwischenzeit hatte die königliche Armee das Königreich Navarra angegriffen, und ein Teil der hugenottischen Truppen war den Eingeschlossenen zu Hilfe geeilt. Heinrich von Navarra hatte sich Admiral Coligny angeschlossen und verdiente sich erste Sporen als kriegführender Prinz in der Schlacht für seinen Glauben. Das Scharmützel, um dessen Verletzte sie sich nun kümmerten, unterschied sich kaum von den vorangegangenen, außer dass sie Hauptmann Strozzi gefangen genommen hatten.
    Mittlerweile waren Gerwin der Anblick und der Geruch des Krieges vertraut. Doch an den Krieg selbst würde er sich niemals gewöhnen, denn es lag nichts Heroisches im Tod. Das Töten war brutal, sinnlos und grausam und zeigte die widerlichste Fratze menschlichen Seins. Wie sein Meister hatte er sich dem Erhalten
von Leben verschrieben. Welchen Sinn sollte es da haben, das größte Geschenk ihres Schöpfers im Namen desselben zu vernichten?
    Etwas Warmes lief ihm über das Gesicht. Blut. »Gerwin!«, schrie Hippolyt im selben Moment. »Halt nicht Maulaffen feil, sondern pack an!«
    Sofort kam Gerwin zur Besinnung und eilte an Hippolyts Seite, der sich des Neuzugangs angenommen hatte. Hauptmann Hinrik Huntpiss hatte bereits den Brustpanzer aufgeschnitten und auf Hippolyts Kommando den Spieß herausgezogen. Dabei war das Blut auf Gerwin gespritzt.
    »Widerliche Dinger, diese Spieße, aber die Landsknechte lieben sie«, stellte Hinrik nüchtern fest und warf das verschmierte Mordinstrument zur Seite. Er war nicht größer als Gerwin, aber der muskulöse Brustkorb schien doppelt so breit, genau wie die kräftigen Oberschenkel, mit denen er ein Pferd auch ohne Sattel lenkte. Das soldatische Leben hatte das Gesicht geprägt: Die Nase war zweimal gebrochen, ein Schmiss zierte die rechte Wange bis über die Braue, und das linke Ohr war ihm zur Hälfte abgeschnitten. Struppige graubraune Locken und muntere grüne Augen machten aus Hinrik jedoch einen ansehnlichen Haudegen.
    Hippolyt versuchte, die Blutung zum Stillstand zu bringen. »Ich glaube, die inneren Organe sind unverletzt, deshalb lohnt sich die Mühe. Noch ist der arme Teufel bewusstlos, aber wenn er sich wieder rührt, können wir ihn nicht anständig flicken. Gerwin, heute lernst du etwas Neues!«
    »Was hast du vor, großer Hippokrates?«, witzelte Hinrik.
    Um sie herum herrschte das nach jeder Schlacht übliche Chaos. In diesem Fall hatten sie Glück, dass sie sich in der Abtei von Brantôme befanden, wo ihnen Mönche halfen und sie mit sauberem Wasser und Tüchern versorgten.
    Hippolyt strich dem Bewusstlosen über die Stirn, nahm einen nassen Lappen und wusch dem Mann Hals und Arme. Dann holte
er seine Tasche und nahm eine Tierblase, einen angespitzten Federkiel und ein verkorktes Fläschchen hervor. Neugierig traten Gerwin und zwei Mönche in blutverschmierten Kutten an den Tisch. Mit Nachdruck sagte der Medicus: »Dass mir hier niemand von Teufeleien spricht. Ihr seht, was ich tue, und es ist keine Zauberei im Spiel!«
    Gerwin zeigte auf die Blase. »Was willst du damit? Ist das eine Schweinsblase?«
    Der Medicus nickte. »Wir binden zuerst die Vene oberhalb der Armbeuge ab. Schnell, bevor er wieder zu sich kommt.«
    Mit geübtem Griff befolgte Gerwin die Anweisung des Meisters.

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