Die Lautenspielerin - Roman
hatten, war Gerwin an den Fluss hinuntergegangen, hatte sich die Kleider vom Leib gerissen und ein Bad in den kühlen Fluten genommen. Jetzt saß er nur in seiner Hose mit einem Weinkrug und einem Laib Brot am Ufer und starrte auf eine junge Magd, die auf der anderen Seite Wäsche ausspülte. Üppige Brüste quollen aus dem Mieder. Die Magd richtete sich auf, bemerkte seinen Blick und hob kokett
ihre Röcke an, doch Gerwin warf ihr nur eine Kusshand zu, wahrscheinlich war er ohnehin zu müde. Die Truppe hatte sich rings um die Abtei gelagert, doch es wurde nicht gefeiert. Nach dem heutigen Tag war niemandem danach. Er sah die drahtige Gestalt des Prinzen von Navarra neben dem kräftigen Admiral Coligny zwischen den Bäumen gehen. Der Prinz war ein ernsthafter, intelligenter Bursche, er hatte das Zeug zum Heerführer. Seine bestimmte und gleichzeitig leutselige Art machte ihn bei den Soldaten beliebt.
Hinter ihm kam jemand die Böschung herunter. »Kalter Braten und Pflaumen aus dem Klostergarten. Die sind herrlich.« Hippolyt ließ sich neben ihm im Gras nieder und stellte eine Schüssel vor ihm ab.
Hungrig schnitt sich Gerwin ein Stück Fleisch ab und spülte den zähen Brocken mit einem großzügigen Schluck Wein hinunter. Die Pflaumen waren besser. Als er in die erste reife Frucht biss, lief ihm das Fruchtwasser das Kinn hinunter, und das weiche Fleisch zerging ihm am Gaumen. Er kostete die Süße nach und leckte sich die Lippen mit der Zunge sauber.
Die Magd hatte unterdessen ihre Wäsche beendet und rief über den Fluss: »Ah, so süß wie die Pflaumen schmecke ich allemal. Du weißt nicht, was dir entgeht, chéri !« Sie hob ihren Wäschekorb auf und stolzierte mit wiegendem Gang davon.
Aus der Nähe ertönten Pfiffe, doch die Magd drehte sich nicht nach den anderen Männern um.
»Niedliches Ding. Ich wünschte, mir flögen die Frauenherzen so zu«, meinte Hippolyt und wischte sich die klebrigen Finger an seinem schmutzigen Hemd ab. »Willst du jetzt ein mönchisches Leben führen, weil du die Frau, die du begehrst, nicht haben kannst?«
»Wer sagt, dass ich sie nicht haben kann …«, sagte Gerwin leise. Er hatte bereits damit begonnen, einen Brief an Jeanne zu verfassen. Sobald sich eine Gelegenheit bot, würde er ihn jemandem
anvertrauen. »Außerdem verstehst du das nicht, oder warst du jemals verheiratet?«
Die Frage war als Provokation gedacht, denn über seine Beziehung zum schönen Geschlecht hüllte sich Hippolyt beharrlich in Schweigen. »Nein, war ich nicht. Das bedeutet aber nicht, dass ich nie geliebt habe. Darauf willst du doch hinaus, Gerwin, nicht wahr?«
»Nun ja, du sprichst nie über deine Frau, oder ob du Kinder hast …«
Hippolyt schaute über das Wasser der Dronne, doch sein Blick war in die Vergangenheit gerichtet. »Manchmal scheint es ein Zeitalter entfernt, dann wieder schmerzt es, als wäre es gestern gewesen. Ich verstehe dich, Gerwin, nur zu gut. Lass dir so viel gesagt sein - die Frau, die ich liebte, erwiderte meine Liebe, aber die Umstände waren gegen uns.«
»Wer war sie? Wo hast du sie kennengelernt?«, fragte Gerwin und hielt dem Medicus den Weinkrug hin, doch Hippolyt beachtete ihn nicht.
Sein Blick wirkte verträumt, und ihm entfuhr ein tiefer Seufzer, der Gerwin das Herz zerschnitt. »Mancher geht an seinem gebrochenen Herzen zugrunde, doch das Wissen, einmal wahrhaft geliebt zu haben, wiegt alles auf.« Der markante Schädel des klugen Mannes zeichnete sich gegen den Abendhimmel ab. In der Umgebung loderten die Lagerfeuer der Soldaten auf. »Non sum, qualis eram . 22 «
Erleichtert sah Gerwin seinen Freund an. Wenn er lateinisch zitierte, war er wieder der Hippolyt, den er kannte.
Hippolyt lächelte schief. »Es hat mich ein halbes Leben gekostet, zu dieser tiefgreifenden Erkenntnis zu gelangen.«
»Dass du jetzt ein anderer bist als vor zwanzig Jahren? Mir hat schon das letzte halbe Jahr gereicht!«
»Zu verstehen, dass ich sie damals nicht auf ewig verloren habe, Gerwin. Sie ist hier.« Hippolyt legte sich die Hand aufs Herz. »Je älter ich werde, desto deutlicher spüre ich ihre Nähe und die Kraft, die ich aus dem Band schöpfe, das uns bis heute verbindet. Wenn du das irgendwann von dir und Jeanne sagen kannst, bist du ein reicher Mann.«
Ergriffen fragte Gerwin erneut: »Wer ist sie?«
»Warum willst du das wissen? Du kanntest sie nicht. Was würde dir ein Name bedeuten?« Der Medicus griff nach dem Weinkrug und nahm einen tiefen Zug. »Gott,
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