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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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»Opiumlösung?«
    »Selbige injizieren wir dem Mann jetzt in die Vene, und er wird lange und erholsam schlafen.«
    »Donnerschlag! Wenn das gelingt, soll dir der König eine Baronie verehren!«, meinte Hinrik.
    Die Mönche bekreuzigten sich, sahen aber weiter neugierig zu, wie Hippolyt die Lösung in die Tierblase füllte, den Federkiel aufsetzte und den angespitzten Federkiel in die Vene stach. Es trat Blut aus, das von Gerwin fortgewischt wurde. Hinrik behielt den Verwundeten im Auge, und bei der ersten Regung packte er dessen Arme, die Mönche hielten die Beine und ermöglichten es Hippolyt, mit seiner Arbeit fortzufahren. Sehr langsam ließ er die Lösung eintropfen, zog den Federkiel heraus, und Gerwin presste ein Stück Tuch auf den Einstich.
    Es dauerte nur wenige Augenblicke, und die Glieder des Verwundeten entspannten sich. Erstaunt ließen die Mönche die Beine los.
    »Bei allen Heiligen, ein Wunder!«
    Hippolyt hob mahnend den Finger und sah die Ordensbrüder scharf an. »Via trita est tutissima. 21 « Er machte eine bedeutungsvolle
Pause. »Doch ist er auch der beste? Müssen wir nicht vielmehr unbekannte Wege gehen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen? Gerwin, nimm Nadel und Faden und vernäh die Wunde.«
    Gerwin bewunderte Hippolyts Selbstsicherheit und die natürliche Autorität, mit der er Zweifler und Kritiker in die Schranken verwies. Während der Wochen, die sie durch deutsche Fürstentümer und schließlich durch Frankreich gereist waren, hatte er nicht nur seine Kenntnisse der Heilkunst vertieft, sondern Hippolyt als weisen Lehrmeister für jede Lebenslage kennengelernt. Sein Freund und Mentor gab ihm Einblicke in die Grundzüge der Astronomie, der schönen Künste, der Mathematik, lehrte ihn Französisch und Englisch, aber vor allem war Hippolyt selbst von einem tiefen Wissensdurst durchdrungen. Dieser nie aufhörende Drang, alles zu hinterfragen, trieb den regen Geist des Arztes an. Lange hatte Gerwin gedacht, dass Hippolyt sich in die sächsische Einsamkeit zurückgezogen hatte, weil er der Menschheit grollte, doch diese Annahme war gänzlich falsch gewesen.
    Gerwin überließ Hippolyt das Abbinden der Einstichstelle und säuberte die Stichwunde mit Ringelblumentinktur. Wenn dieses probate Mittel ausgegangen war, nahmen sie Schafgarbentinktur oder Branntwein. Letzteren konnten die Verwundeten auch trinken, um sich zu betäuben, doch die Wirkung von Opium setzte schneller ein und hielt länger an. In die Vene musste man die Lösung injizieren! Das war revolutionär! Geschickt fädelte Gerwin den Faden ein, tauchte Nadel und Faden in die Tinktur und drückte die auseinanderklaffenden Hautlappen zusammen. Der Soldat war sehr jung, wahrscheinlich einer der Landadeligen, die scharenweise zur Truppe strömten. Meist waren es die dritt- oder viertgeborenen Söhne, denen kein Erbe zustand. Die Haut war straff und würde, wenn kein Wundbrand einsetzte, gut verheilen.
    Als er fertig war, legte er mit Hippolyts Hilfe den Verband an. Zufrieden betrachteten sie das friedliche Gesicht des betäubten Soldaten.

    »Sieht fast aus, als lächle er«, meinte Gerwin.
    »Warum auch nicht? Opium beschert süße Träume.«
    »Dann möchte ich es auch probieren«, scherzte Gerwin.
    Unerwartet heftig packte Hippolyt ihn bei den Schultern. »Sag das nicht, denk es nicht einmal! Diejenigen, die leichtfertig damit umgehen, werden zu Sklaven ihrer süßen Droge! Sie denken an nichts anderes als daran, sich wieder dem Rausch hinzugeben.«
    »Entschuldigung, aber Jerg hat doch etwas geraucht, und ich dachte …«, wandte Gerwin kleinlaut ein.
    »Jerg ist krank! Und er weiß, was er tut. Lass gut sein, Gerwin. Da wartet der nächste Verwundete auf uns. Wir sprechen später darüber. Ah, Bruder, was bringt Ihr uns? Ist das seine Hand? Nein, wem gehört sie dann?«
    Zwei Mönche hatten einen stöhnenden Soldaten hereingeführt, der ihnen mit irrem Blick eine abgeschlagene Hand entgegenhielt und unverständliches Kauderwelsch redete. Hippolyt schüttelte den Kopf. »Nein, mein Freund, leg dich hierhin, und wir versorgen dich.«
    Die Hand warf er in die Ecke auf den Haufen mit bereits abgetrennten Gliedmaßen.
     
    Mücken schwirrten über dem Wasser, und Enten schwammen langsam über die grüne Oberfläche der Dronne, in deren Schleife die Abtei von Brantôme malerisch zwischen satten Wiesen, Weinbergen und wildreichem Wald lag. Die Glocken läuteten zur achten Stunde, doch es war noch hell.
    Nachdem sie die Verletzten versorgt

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