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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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mehr. Bevor wir nach Dresden gefahren sind, habe ich es zerstört.«
    »Warum?«, fragte Jeanne überrascht.
    »Weil ich einen besseren Platz für Christines Asche gefunden habe.« Endres beugte sich vor und nahm Jeanne die Laute aus der Hand. Liebevoll strich er über das glänzende Holz. »Du kannst sie hören, nicht wahr?«
    Langsam nahm die Erkenntnis von ihr Besitz. Was sie fühlte, war keine Einbildung, und doch würde es niemand außer ihr und ihrem Vater verstehen. »Ja«, flüsterte sie.
    Endres gab ihr die Laute zurück. »Ich wusste nicht, ob es möglich ist, doch allein der Gedanke, dass sie in der Musik, wenn du spielst …« Die Stimme versagte ihm.
    Sacht stellte Jeanne die Laute ab und stand auf, um ihren Vater in die Arme zu nehmen. Ihre Wange an seine Haare gedrückt, fragte sie leise: »Ist es der Lack?«
    Endres nickte. »Und der Leim, aber niemand darf das jemals erfahren, nicht einmal dein Mann. Diese Frömmler würden uns
dafür auf den Scheiterhaufen bringen. Ich habe mich in Cosmè getäuscht. Er schien mir weltlicher in Dresden.«
    »Schon gut, Vater. Die Dinge sind, wie sie sind, und im Moment sind wir hier sicher und haben keine Not zu leiden.«
    »Du bist ein gutes Kind, Jeanne. Gott weiß, ich …«
    »Lass uns nicht davon sprechen. Cosmè hat uns in Dresden gerettet, als niemand sonst sich meiner erbarmt hätte. Dafür stehe ich in seiner Schuld.« Ein Geräusch an der Tür ließ sie herumfahren. »Dieses Haus hat Augen und Ohren!«, schimpfte sie.
     
    Es war weit nach Mitternacht, als Cosmè nach Hause kam. Sie hörte ihn im Gang mit seinem Kammerdiener sprechen, wenig später schloss er die Tür zu seinem Schlafzimmer, das durch einen Ankleideraum getrennt neben ihrem lag. Nach dem Überfall hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie keine körperliche Nähe wünschte. Er hatte sich einsichtig gezeigt, doch deutlich gemacht, dass er seine Rechte als Ehemann nach einer angemessenen Zeit wieder in Anspruch nehmen wollte. Der einzige Vorteil ihrer Schwangerschaft bestand darin, dass Cosmè sie nicht länger bedrängte und ihr nun mit freundlicher Nachsicht begegnete.
    Als Mitglied des consistoire war er oft bei Versammlungen, auf denen über den sittlichen Lebenswandel der Gemeindemitglieder gesprochen und gerichtet wurde. Die hugenottische Kirche basierte auf Calvins Discipline ecclésiastique . Die Einhaltung der kirchlichen Ordnung lag in den Händen der Hausväter und des gewählten Predigers, und rege Briefwechsel mit den Theologen in Genf waren Garant für die Nähe zu Calvins Lehre. Dieser Austausch mit dem calvinistischen Zentrum war dem König ein Dorn im Auge und deshalb vor einigen Jahren untersagt worden. Doch die Hugenotten hielten sich nicht an das Verbot und erregten damit den Zorn von Katharina und Karl IX.
    Jeanne warf das dünne Laken zur Seite. Die Hitze im Zimmer war unerträglich. Sie stand auf, spritzte sich Wasser ins Gesicht
und öffnete weit die Fenster, die auf den Hof hinausgingen. Auf ihren Wunsch hin hatte Cosmè dort einige Töpfe mit Blumen und einen kleinen Orangenbaum aufstellen lassen, denn einen Garten gab es nicht. Vor ihr erstreckte sich das schlafende Paris. Die Glocken der zahlreichen Kirchen mahnten an die Vergänglichkeit der Zeit. Irgendwo im Westen lag La Rochelle, die Hafenstadt an der Atlantikküste. Dorthin hatte Gerwin gehen wollen.
    Seufzend strich sich Jeanne über den feuchten Nacken. Dieser unscheinbare Junge hatte sich seit Helwigsdorff verändert. Er war ein Mann geworden. Sie mochte ihn und seinen Meister. Hippolyt war ein Medicus, ein Gelehrter mit vielen Geheimnissen, davon war Jeanne überzeugt. Sie erinnerte sich gerne an seine wissenden, mitfühlenden Augen, als er sich nach dem Überfall um sie gekümmert hatte. Und an jene Nacht im Wirtshaus am Rhein. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie Gerwins zärtliche Berührungen spüren, sanft wie Schmetterlingsflügel, nur ein Hauch und ein Versprechen. Sie hatte ihm keine Hoffnung gemacht, doch das bedeutete nicht, dass sie nicht hoffen und sich nach ihm sehnen durfte. In seltenen, kostbaren Augenblicken erlaubte sie sich ihr eigenstes Geheimnis, die Sehnsucht nach der Liebe, die sie in Gerwins Augen gelesen hatte.

20
    Périgord Vert Abtei von Brantôme
    Gerwin hatte sich ein Tuch vor Mund und Nase gebunden. Die Ausdünstungen der Sterbenden, vermischt mit Sekreten aus schwärenden Wunden, Erbrochenem, Exkrementen und dem bestialischen Gestank faulenden, von Würmern durchzogenen

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