Die Lautenspielerin - Roman
der wenigen Überlebenden des Überfalls behandelt.
Der Bauer reckte das Kinn. »Nein, Herr, ich war nicht dabei, und es war keine gute Sache, welche da geschehen ist. Aber die Leute haben aus Angst gehandelt!«
»Wohl nicht eher, weil wir Hugenotten sind und ihr uns hasst?«, meinte Navarra.
Der Bauer schüttelte den Kopf. »Bei der Heiligen Jungfrau! Ganz sicher nicht!«
»Jetzt erzähl endlich, was geschehen ist, Mann!«, sagte Bourdeille ungeduldig.
»Ja, Herr. Der große Anführer, der Admiral, hat über zweihundert ehrliche Landleute aus den Dörfern und Weilern von La Chapelle-Faucher holen lassen. Die Soldaten haben Frauen, Kinder, Alte und Kranke zusammengetrieben wie Vieh und ins Herrenhaus gebracht und dort …« Er schlug die Hände vors Gesicht und jammerte. »Bei allen Heiligen, so etwas hat niemand verdient! Gewütet haben diese Teufel und gebrüllt: ›Das ist für unseren Hauptmann! ‹ Mit den Schwertern haben sie auf die Menschen eingeschlagen, dass das Blut spritzte, und die Kinder haben geschrien und gewimmert, aber die kannten kein Erbarmen. O die armen Frauen und Mädchen. Hundertmal habe ich dem Herrn gedankt, dass meine Familie nicht dabei war. Solches Übel, nein, nein … Sie haben Scheiterhaufen aufgeschüttet, diese Bestien, und die Toten und die, welche noch schrien, darauf verbrannt.«
Mit offenem Mund, den angebissenen Apfel in der Hand, lauschte Gerwin fassungslos dem Bericht des Augenzeugen. Auch in den Gesichtern der Edelleute wechselten Entsetzen und Beschämung miteinander ab. Nur Strozzi goss sich ungerührt frischen Wein ein.
»Ich hab’ mich in einer Luke auf dem Heuboden versteckt und gesehen, wie nur ein paar Fuß unter mir ein Hugenottenteufel einen Jungen erwürgt und einfach fortgeworfen hat. Und …«, wollte der Bauer seinen Schreckensbericht fortsetzen, wurde jedoch von Bourdeille unterbrochen.
»Wir haben verstanden. Lass dir in der Küche eine Mahlzeit geben, und dann geh zurück zu den Deinen und danke Gott, dass sie unversehrt geblieben sind in diesen finsteren Zeiten.«
Der Kommendatarabt wartete, bis der Bauer sich entfernt hatte, bevor er sich erhob. »So vergilt mir der Admiral meine Gastfreundschaft, mit einem hinterhältigen Gemetzel. Unschuldige Frauen und Kinder!« Wütend schlug er mit der Faust auf den Tisch, dass Teller und Gläser klirrten.
»Der Krieg hat eigene Gesetze, Pierre«, meinte Strozzi gleichmütig.
»Nicht jetzt, Filippo! Ich weiß, dass Ihr durch und durch Soldat seid, doch diese Entschuldigung für himmelschreiendes Unrecht lasse ich nicht gelten!« Bourdeilles Stimme überschlug sich, als er brüllte: »Ich lasse nicht gelten, dass ein Monstrum mit Namen Krieg alle guten Gesetze, die wir mühsam erschaffen haben, außer Kraft setzt! Verflucht, es gibt Ehre, und Ehrenmänner müssen verhindern, dass so etwas wie in La Chapelle-Faucher passiert!« Außer sich vor Wut stieß Bourdeille seinen Stuhl mit dem Fuß fort und rannte mit geballten Fäusten über den Hof auf die Kapelle der Abtei zu.
Heinrich von Navarra strich sich über das ernste junge Gesicht und schüttelte nachdenklich den Kopf. »Nein, er hat recht, so etwas darf nicht geschehen. Wer sorgt für Menschlichkeit, wenn nicht Männer wie wir?«
Die Nacht hatte sich bereits über die Abtei von Brantôme gesenkt, als Admiral Coligny mit seiner Truppe zurückkehrte. Gerwin und Hippolyt saßen in der Stille des dunklen Kreuzgangs und
sammelten nach einem langen Tag im Krankensaal ihre Kräfte. Sie beobachteten, wie Coligny, ein hünenhafter Mann mit einem Hang zur Arroganz, mit hängenden Schultern in seine Zelle schlich. Ihm auf den Fersen war Pierre de Bourdeille, der ihn einholte, bevor Coligny in die Zelle treten konnte.
»Was habt Ihr zu Eurer Verteidigung zu sagen, Admiral? Ich habe mich sehr in Euch getäuscht!«, klagte der Edelmann, dessen Profil sich im Mondlicht abzeichnete.
Coligny wandte sich um, und Gerwin vermeinte, tiefe Schatten unter den Augen des Hugenottenführers zu sehen, der mit belegter Stimme erwiderte: »Monseigneur, ich schäme mich zutiefst, doch es gab Vassy, vergesst das nicht!«
Hippolyt seufzte leise. »Pro superi! Quantum mortalia pectora caecae noctis habent! 23 «
21
»Ihr dürft dort nicht hingehen!«, rief Guillemette erbost und baute sich vor dem Waschtisch in Jeannes Schlafzimmer auf.
Goldene Strahlen der Pariser Herbstsonne fielen durch das geöffnete Fenster und schenkten dem tristen Raum einen Hauch von Wärme. Im Haus
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