Die Lautenspielerin - Roman
der Paullets war alles von einer solch prätentiösen Schlichtheit, dass Jeanne bereits beim Kauf eines farbigen Seidenschals Gewissensbisse überfielen. Gedeckte Farben, einfache Gebrauchsgegenstände, kein Überfluss, was Speisen und Getränke anbetraf, und vor allem keine unnötigen Worte, ausgenommen Gebete natürlich, bestimmten den Haushalt der hugenottischen Kaufmannsfamilie.
»Geh mir aus dem Weg!«, zischte Jeanne und stieß die Magd unsanft zur Seite, um sich in dem winzigen Spiegel über dem
Waschtisch betrachten zu können. Die Schwangerschaft war ihr anzusehen, ging es doch bereits in den sechsten Monat, und selbst bauschige Röcke konnten ihren schwer werdenden Leib nicht länger verbergen. Sie feuchtete die Fingerspitzen an, strich die Augenbrauen glatt und zog die Nadel aus ihren aufgesteckten Haaren, um die weiße Spitzenhaube zu entfernen.
»Das dürft Ihr nicht! Eine verheiratete Frau geht nicht ohne Kopfbedeckung aus dem Haus! Ich werde Euer Verhalten dem Monsieur berichten.« Vor Wut liefen Guillemettes Wangen rot an, und sie ballte die Fäuste.
»Du dummes Gänslein, glaubst du, ich weiß nicht, dass du es hinter meinem Rücken mit meinem Mann treibst?« Bisher hatte Jeanne ihr Wissen für sich behalten, war sie es doch zufrieden, dass ihr Mann sie in Ruhe ließ. Sie hatte von anderen Frauen gehört, deren Männer ihnen auch während der Schwangerschaft beilagen.
Erschüttert wich Guillemette zurück. »Ich, nein …«
»Du tust doch gern so fromm, denkst du, dein Herr Pfarrer würde es gutheißen, wenn ich ihm von deinem sündigen Treiben erzählen würde?« Mit einem Schritt war Jeanne bei ihr und packte sie unter dem Kinn. »Ich könnte dich hinauswerfen lassen!«
Die großen Augen der Dienerin füllten sich mit Tränen. »O Madame, bitte nicht! Ich bin doch hier aufgewachsen. Meine Mutter arbeitet hier, mein Onkel und mein Cousin sind im Kontor angestellt. Die Schande ertrüge ich nicht.«
»Tatsächlich? Weißt du, deine Gefühle interessieren mich nicht, genauso wie die meinigen dir vollkommen gleich sind«, sagte Jeanne hart.
»Aber, Madame …«, stotterte Guillemette. »Es war mir aufgetragen worden, auf Euch zu achten.«
Jeanne ließ sie los und musterte sie kühl. »Mich auszuspionieren ist dein Auftrag, aber damit ist es jetzt vorbei! Du kannst meinem Gatten weiter die Laken wärmen, doch von nun an hältst
du dein loses Plappermaul und sagst ihm nur noch, was ich dir gestatte! Haben wir uns verstanden?«
Guillemette senkte den Kopf. Das enge Mieder drückte ihre prallen Brüste nach oben, die sich unter dem aufgeregten Atem hoben und senkten. »Ja, Madame.«
»Nun, fangen wir damit an, dass du einen Wagen kommen lässt, der uns in die Rue Pavée bringt.«
Die Kammerdienerin machte einen tiefen Knicks, hauchte erneut ein ergebenes »Ja, Madame« und verschwand.
Hinterhältige kleine Schlange, dachte Jeanne, griff nach ihrem Beutel und einem Schal gegen die kühler werdende Luft und trat auf den Gang hinaus. Cosmè war wieder einmal auf Geschäftsreisen und wurde nicht vor Ende des Monats zurückerwartet. Eine ältere Hausvorsteherin teilte die Vorräte ein und überwachte die Küche, der Majordomus kümmerte sich um die Dienerschaft und die Pferde. Im Haus gab es ein Arbeitszimmer, doch das eigentliche Kontor und die Lagerräume befanden sich in der Nähe des Hôtel de Ville. Cosmè hatte ihr sein Geschäft gezeigt, und sie hatte höfliche Fragen zu den verschiedenen Waren und den finanziellen Transaktionen gestellt, doch im Grunde war es ihr gleichgültig.
Vorsichtig öffnete Jeanne die Tür zur Werkstatt ihres Vaters. Der vertraute Duft von Harz und Leim umfing sie und ließ sie einen wehmütigen Seufzer ausstoßen. »Vater, ich gehe jetzt zu Morel. Er hat mich eingeladen. Er habe eine Überraschung, hat er gesagt.«
Endres Fry hob den Kopf. Vor ihm auf der Werkbank lag eine sechschörige Altlaute mit einem Korpus aus Ahorn und einem Deckblatt aus Eschenholz. »Schau, Jeanne, die Wirbel habe ich aus Pflaumenholz gemacht.«
»Wunderschön!« Anerkennend nahm sie einen der Wirbel, die bereits mit einem Loch für die Saiten versehen waren, in die Hand. Der Hals der Laute war aus Fichte mit aufgeleimtem Furnier aus Ebenholz. »Und die Rosette! Vater!«
Die Rosette lag neben der Laute auf einem beigefarbenen Tuch. Jeanne beugte sich vor, um die filigrane Schnitzerei besser erkennen zu können. »Doppeladler? Hat das eine besondere Bewandtnis?«
»Es ist keine
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