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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Spontane! Schaut den Nachthimmel über der Stadt und hört den alten Fluss unten vor dem Fenster in seinem Bett rauschen, wie er es seit Jahrhunderten tut. Spielt das Lied der Seine!«
    Seraphin schob ihr einen Hocker zu und nahm den Samtbeutel entgegen, aus dem Jeanne ihre Laute holte. Der Harfenist hielt in seinem Spiel inne, und nachdem sie kurz die Saiten gestimmt hatte, ließ sie die ersten Töne wie ein leichtes Rauschen kleiner Wellen durch den Raum perlen. Die Melodie kam wie von selbst zu ihr, vermengt mit Bildern aus ihrer Kindheit im Languedoc, glücklichen Tagen, die sie mit ihren Eltern am Meer verbracht hatte, dann sprach ihre Musik von den tiefen Wassern des Rheins, jenen Momenten tiefster Qual, die sie mit der Reise dorthin verband, und schließlich kehrte sie nach Paris zurück. Was sie von dieser Stadt zu erwarten hatte, wusste sie noch nicht, doch die Wogen der Seine sprachen vom ewig wiederkehrenden Zirkel des Lebens, seinen Untiefen und reißenden Strömungen. Was auch geschehen mochte, die dunklen Wasser würden sich weiter ihren Weg durch das alte Flussbett bahnen. Der letzte Akkord verklang, traurig, hoffend und voller Leben.
    Einen langen Moment war es still im Gemach des Herzogs, dann nahm er ein Taschentuch aus seinem Wams, tupfte sich die Augen und verneigte sich elegant vor Jeanne. »Ihr habt mein Herz mit Eurer Musik berührt, Madame. Seid meiner Protektion versichert.«
    Es klopfte. Anjou runzelte unwirsch die Stirn und winkte dem jungen Mann im Sessel. »Sieh nach!« Nachdem dieser einige Worte mit dem Diener an der Tür gewechselt hatte, kehrte er mit düsterer Miene zurück. »Euer königlicher Bruder wünscht Eure sofortige Anwesenheit im großen Saal.«
    Anjou ballte eine Faust und zischte: »Diese dumme Kreatur wagt es …« Wütend verließ er mit seinem jugendlichen Begleiter den Raum.

    Seraphin reichte Jeanne den Samtbeutel. »Kommt, wir sollten ebenfalls gehen. Ihr habt Eure Sache großartig gemacht!«
    »Es hat ihm gefallen. Aber sagt, Seraphin, wieso hat der Herzog gerade so reagiert?«
    »Nun, er hasst seinen Bruder. Karl ist jähzornig, aber er ist der Ältere und der König. Und das lässt er Anjou bei jeder Gelegenheit spüren. Einmal hat er Anjous Lieblingshund eigenhändig erwürgt und dann mit seinem Dolch zerfleischt.«
    »Eine liebreizende Familie.«
    »Es ist in jedem Fall besser, sie zum Freund zu haben«, orakelte Seraphin düster, woraufhin Jeanne ihre Laute mit zitternden Fingern an sich drückte.

28
    Aus der Ferne wirkte die gedrungene, schwarz gewandete Gestalt wie eine fette Kröte zwischen den schönen jungen Hofdamen in ihren flirrenden Kleidern. Aufgeregt näherte sich Jeanne der königlichen Tribüne im großen Festsaal und war erstaunt, wie klein die Königinmutter war. Das Krötenhafte verflüchtigte sich, sobald man Katharina de Medici aus der Nähe sah, denn ihre Bewegungen waren flink, den aufmerksamen Augen unter schweren Lidern entging nichts. Neben ihrem Prunksessel standen eine Schale mit Naschwerk und Likörflaschen auf einem Tisch. Ohne ihre Beobachtungen zu unterbrechen, griff die Florentinerin in die Schale und stopfte sich die Süßigkeiten in den Mund. Ihre Wangen waren aufgequollen, die Lippen hingen schlaff herunter, was bei Jeanne den Eindruck erweckte, dass die Königinmutter nicht nur übergewichtig, sondern auch krank war. Und Kranke waren launisch, dachte sie und setzte ein freundliches Lächeln auf.
    »Ah, die vielgepriesene Lautenspielerin! Kommt schon, kommt
her, damit ich Euch ansehen kann.« Ungeduldig winkte Katharina sie zu sich heran.
    Seraphin, der neben ihr ging, flüsterte: »Lächelt und sagt so wenig wie möglich.«
    Von einer Seite des Saales drangen Musikfetzen herüber, vermengt mit dem leisen Tuscheln hunderter Höflinge, Damen und geladener Gäste unterschiedlichster Herkunft. Von riesigen Kronleuchtern tropfte das Wachs unzähliger Kerzen. Obwohl die Fenster weit offen standen, war die Luft bereits verbraucht und durchzogen von Bratengeruch, süßlichen Duftwässern, Schweiß, den säuerlichen Ausdünstungen Weinseliger und dem stets präsenten stechenden Uringestank.
    Die meisten Damen, so auch Jeanne, trugen ein duftendes Taschentuch in ihrem Beutel, das sie sich an die Nase hielten, wenn der Gestank ihnen in den engen Korsagen die Luft zu rauben drohte. Nachdem die Königinmutter Jeanne aus ihrem unbequemen Hofknicks erlöst hatte, konnte sie die königliche Familie aus der Nähe betrachten. Anjou stand neben

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