Die Lautenspielerin - Roman
und erfüllte ihre Pflichten ordnungsgemäß. Manchmal plagte Jeanne das schlechte Gewissen, dass sie das Mädchen praktisch in das Bett ihres Gatten geführt hatte. »Sag, Coline, der Herr behandelt dich doch gut? Ich meine, wenn, also …«
Das Mädchen grinste. »Mir macht das nichts aus, Madame. Ich habe Erfahrung mit den Männern, und oft genug habe ich dabei ja auch meinen Spaß.«
»Oh«, kam es ungläubig von Jeanne.
»Er gibt mir hin und wieder etwas extra, und er tut mir nicht weh. Ph, da gibt es ganz andere …«
»Ich glaube nicht, dass ich das hören will!«, wehrte Jeanne beschämt ab und fügte leise hinzu: »Danke, Coline. Ich bin sehr froh, dass du hier bist.« Sie meinte das ehrlich - und nicht nur, weil das Mädchen eine hilfreiche Verbündete im Weiterleiten von Briefen und bei geheimen Treffen mit Gerwin sein könnte, sobald dieser wieder nach Paris kam.
Coline half ihr, die Haare aufzustecken, und klatschte begeistert in die Hände, als das letzte Kämmchen neben perlenbesetzten Nadeln in den Locken saß. »Ihr seht aus wie eine Herzogin!«
Bei dem Gedanken an die Herzogin de Nemours, deren Tochter und den Herzog de Guise gefror Jeannes Lächeln, und sie deutete hastig auf die weiße Schminke. »Weiß mich noch etwas, Coline, und dann gib auch von der Lippenfarbe auf die Wangen.«
Unter dem unnatürlichen Weiß fühlte Jeanne sich geschützt, und es fiel ihr leichter, ihre Mimik zu kontrollieren. Es klopfte, und Cosmè trat herein.
»Seid Ihr bereit?« Er taxierte seine Gattin und öffnete vor ihren Augen ein schmales Holzkästchen. »Tragt es heute Abend und verliert es nicht. Morgen muss ich es dem Juwelier zurückgeben.«
Coline schlug ehrfürchtig die Hand vor den Mund. Jeanne betrachtete das glitzernde Collier mit nüchterner Gelassenheit. »Perlen. Die Tränen des Meeres. Wie passend.«
Cosmè nahm das dreireihige Collier aus dem Kästchen und legte es Jeanne um. »Es liegt allein bei Euch. Verhaltet Euch wie eine ehrbare, gläubige Hugenottin, und Ihr habt nichts zu befürchten.«
Unwillkürlich berührte Jeanne die noch schmerzende Narbe an der Stirn. »Ihr habt eine unmissverständliche Art, Euch auszudrücken, Monsieur.«
Die düsteren, fast schwarzen Mauern des Louvre zogen sich die Seine und auf der anderen Seite die Rue de Rivoli entlang. Das Königsschloss wirkte mit seinen gedrungenen Türmen, breiten Gräben voll stinkenden Brackwassers und unübersichtlichen kegelförmigen Dächern wie eine Festung. Doch der Eindruck verflüchtigte sich, sobald sie die von Schweizern bewachten Tordurchgänge durchfahren hatten und in einem der vielen Innenhöfe der weitläufigen Anlage zum Halten kamen, wo bereits zahlreiche Gäste warteten.
Jeanne hätte sich gerne im Cour Carrée umgesehen, dessen Fassaden mit prachtvollen Reliefs des Bildhauers Jean Goujon geschmückt waren. Es war eine warme, helle Sommernacht, und die Fackeln warfen bizarre Schatten über die Reliefs, auf denen die Giganten zu tanzen schienen.
»Madame!«, zischte ihr Gatte und deutete ungeduldig auf den livrierten Lakai, der ihnen winkte, sich dem Strom der Gäste in rauschenden, farbenprächtigen Roben anzuschließen. Unter einer Woge aus aufgeregtem Getuschel, gelegentlich aufklingendem Gelächter und einer stinkenden Duftwolke, deren Hauptbestandteil Schweiß, ranzige Haarteile und süße Parfums waren, reihten sie sich ein. Das dunkelblaue Wams des Edelmanns vor Jeanne wies bereits Schweißränder unter den Achseln auf, und der Mann kratzte sich die von Pomade schmierigen weißen Haare.
Jeanne trug ihre Laute wie immer selbst, was in der aufwendigen Robe allerdings nicht ganz einfach war, da der steife Kragen nicht nur ihre Sicht, sondern auch ihre Bewegungen behinderte. »Wer denkt sich solch unbequeme Mode aus! Und das bei diesen Temperaturen!«, schimpfte Jeanne leise und zog das Band ihrer Lautentasche über die Schulter, von der es ständig herunterzurutschen drohte.
Der Lakai, parfümiert und geschminkt wie seine Herrschaft, streckte die Hand aus. »Was tragt Ihr dort? Ein Geschenk? Das muss ich kontrollieren, bevor es in den Palast gebracht wird.«
Jeanne machte keine Anstalten, ihre Laute aus der Hand zu geben. »Meine Laute.«
»Ich will sie sehen!«, forderte der Lakai in herablassendem Befehlston.
Widerwillig holte Jeanne die Laute aus dem gepolsterten Samtsack, den sie hatte anfertigen lassen.
Der Lakai nahm das wertvolle Instrument, drehte es hin und her und schüttelte es so, dass
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