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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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zusammen und stopfte ihn in seinen Gürtelbeutel. Nachdenklich stand er auf und ging zu seinen Freunden. Hippolyt lag neben Hinrik unterhalb der Kirchenruine. Die Zelte Heinrich von Navarras und der anderen Befehlshaber waren nur wenige Schritte entfernt. Gerwin hockte sich neben Hippolyt und Hinrik und trank einen Schluck Bier, bevor er von Seraphins Brief berichtete.
    Hippolyt drückte Gerwins Arm. »Dass wir Heinrich begleiten sollen, ist ein Wink des Schicksals.«
    »Ich verabschiede mich noch von meiner Schwester.« Ein Abschied für immer, dachte Gerwin und erhob sich langsam.

30
    Versengtes Land, verlassene Höfe und abgeholzte Wälder säumten ihren Weg. Abgemagerte Gestalten schleppten sich von einem Weiler zum nächsten; wenn deren Bewohner ihrer ansichtig wurden, folgte ihnen eine Flut von Verwünschungen und Flüchen. Heinrich von Navarras Miene war abzulesen, was in ihm vorging - er verfluchte die Sinnlosigkeit dieses Bruderkriegs, der ihr schönes Land ausblutete.
    Sie näherten sich den Toren von Paris. Im Umkreis der Hauptstadt standen die Felder in vollem Korn, und sobald man Heinrich von Navarra erkannte, wurden die Mienen feindselig und
verschlossen. Waren ihnen auf dem Land nacktes Elend und die Ohnmacht der Schwachen entgegengeschlagen, so bekamen sie hier den Hass religiöser Eiferer und blinder Fanatiker zu spüren. Ein königlicher Bote kam ihrer schwer bewachten Eskorte entgegen, um sie zu ihrem Quartier im Louvre zu geleiten.
    Gerwin, der neben Hippolyt ritt, sagte unwillig: »Warum müssen wir dort mitten unter unseren Feinden wohnen? Das ist ja Selbstmord!«
    »Gerwin, um Himmels willen, sei still! Wir sind hierher gekommen, um einen Friedensvertrag zu unterzeichnen! Niemand wird den Prinzen oder sein Gefolge hinterrücks ermorden.«
    »Schau, nein, hör sie dir doch an, die Pariser! Sie hassen uns! Was auch immer auf dem Papier steht, es wird nicht von Dauer sein.«
    Sie hatten die Porte d’Orléans bereits passiert, als sie plötzlich zum Halten gezwungen wurden, da eine seltsame Prozession an ihnen vorüberzog. Eine aufgebrachte Menge zog eine aus Weidenruten gebastelte Gestalt hinter sich her. Die Figur mit grausiger Fratze war in die rote Uniform der Schweizergarde des Louvre gewandet und trug einen blutigen Dolch in der Hand. Auf der Brust der Puppe baumelte ein Schild, auf dem »Marienschänder« stand. Gut ein Dutzend Priester in Chorhemden folgten der Puppe rückwärtsgehend und beteten eine Marienstatue an, die von bewaffneten Kerlen hinter ihnen hergetragen wurde. Weitere Priester liefen nebenher und schwangen Weihrauchfässer, um die Leiden der blutigen Jungfrau zu mindern.
    Gerwin war fassungslos angesichts der Hysterie, in die sich die Menschen der Prozession hineingesteigert hatten. Frauen und Männer, selbst Kinder schwangen Beile, Forken oder Spieße und schrien ihren Hass auf Juden, Hugenotten und alle Ketzer hinaus. »Auf den Scheiterhaufen! Brennen soll die Höllenbrut!« Gerwin lief es kalt den Rücken hinunter.
    Ein Soldat Navarras, der aus der Hauptstadt stammte, erklärte
ihnen hinter vorgehaltener Hand, dass diese Prozession auf ein über hundertvierzig Jahre zurückliegendes Ereignis zurückgehe. Damals hatte ein betrunkener Schweizergardist seinen Sold im Glücksspiel verloren und sich anschließend in seiner Wut auf eine Marienstatue gestürzt, die auf der Straße vorübergetragen wurde.
    Die roten, wutverzerrten Gesichter der Leute verhießen nichts Gutes. »Vielleicht sollten wir unsere Kopfbedeckungen abnehmen und uns bekreuzigen«, schlug Hippolyt vor.
    Navarra, der in Hörweite war, drehte sich um und rief: »Niemals! Vorwärts jetzt!«
    Gerwin stieß seinem Pferd die Sporen in die Seiten, dass es einen Satz machte und einen grobschlächtigen Pariser zur Seite schubste. Bevor der Rasende seine Waffe nach ihm schleudern konnte, waren sie in die nächste Gasse abgebogen.
     
    Im Louvre teilte sich Gerwin eine Kammer mit Hippolyt. Außer zwei Strohsäcken und einer wurmstichigen Truhe, in der sich Maden zwischen Mäusekot tummelten, befand sich nur ein Schemel in der feuchten Kammer. Zumindest ein Fenster, das sich öffnen ließ, gab es. Der Topf für die Kammerlauge war nicht geleert und stank dermaßen, dass Hippolyt ihn aus dem Fenster warf. Sie befanden sich im Trakt der Königinmutter, die ihren zukünftigen Schwiegersohn anscheinend nicht aus den Augen lassen wollte.
    Gerwin warf seine Habseligkeiten in eine Ecke und hockte sich erschöpft auf die

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