Die Lautenspielerin - Roman
aus.«
Hauptmann Hinrik kam auf sie zu. »Ah, hier seid ihr!«, rief er und winkte hinter sich. »Kommt nur, Monseigneur.«
»Messieurs«, begrüßte Heinrich von Navarra sie. In seiner zerschlissenen Kleidung unterschied er sich kaum von seinen Soldaten. Auch legte er Wert darauf, nicht besser zu schlafen oder zu essen als seine Männer, was dem jungen Prinzen bereits viel Respekt verschafft hatte. Inzwischen wusste Gerwin, dass Heinrich als Kind bei einfachen Bauern auf dem Land aufgewachsen war. Königin Johanna war eine kluge Frau, die in ihrem religiösen Eifer zu weit gehen mochte, doch hatte sie ihrem Sohn eine Erziehung angedeihen lassen, die aus Heinrich einen mit Intelligenz, Umsicht und Mitgefühl versehenen Mann machte. Der Gegensatz zwischen dem jungen Heinrich und den Söhnen der Katharina de Medici oder dem herrischen Herzog de Guise hätte größer nicht sein können.
»Messieurs, Prediger Martial hat sich über Euch beschwert, nicht zum ersten Mal, und es scheint mir, dass Ihr nicht regelmäßig an den Gottesdiensten teilnehmt.« Ernst musterte der Prinz sie.
»Aber Monseigneur, Ihr wisst doch, wie es um die Männer
steht«, sagte Hippolyt milde. »Wir sind Tag und Nacht im Einsatz, und dennoch gelingt es uns nicht, uns um alle Verwundeten und jetzt die vielen Fieberkranken zu kümmern. Außerdem haben wir keine Arzneien mehr.«
Die Strenge verflog aus Heinrichs Zügen. »Das ist mir bewusst, und ich habe bereits Sorge getragen, dass aus der Stadt Nachschub geschickt wird, obwohl die Leute selbst kaum genug haben. Dieser Krieg dauert bereits viel zu lange.«
Die Männer nickten. Hauptmann Hinrik runzelte sorgenvoll die Stirn und horchte zum Fluss hinunter, von wo das Geschrei wütender Soldaten herauftönte. »Sie werden unzufriedener. Kein Sold, und viele Huren ziehen weiter oder sind bereits krepiert. Der Hunger!«
Bei der Erwähnung der Dirnen verdüsterte sich Heinrichs Miene. »Mir ist Nachricht von einem schrecklichen Verbrechen zugetragen worden. Hauptmann Strozzi, der Schlächter, hat das Problem der Huren, die seinem Tross folgten, das Tempo verlangsamten und die Vorräte noch knapper machten, auf übelste Weise gelöst. Frühmorgens hat er befohlen, sich des unnötigen Ballasts zu entledigen, indem er die Frauen einfach in den Fluss werfen ließ. Die Soldaten mussten so lange mit Spießen nach ihnen stoßen, bis auch die letzte Dirne in den Fluten der Loire elendiglich ertrunken war.«
»Filippo Strozzi hat es zu weit getrieben. Das wird selbst dem blutrünstigen Karl nicht gefallen haben«, meinte Hinrik. »Es ist für alle Seiten ein Segen, dass der Admiral seinen Schwiegersohn endlich zur Aushandlung eines dauerhaften Friedens nach Paris geschickt hat.«
»Und jetzt wird tatsächlich ein Dokument unterzeichnet?«, fragte Gerwin skeptisch.
Heinrich von Navarra nickte. »Ob der Friede von Dauer sein kann, wird sich zeigen. Guise will Rache und Krieg, Philipp von Spanien will die Niederlande mit Hilfe Albas unter seine Knute
zwingen. Aber die Geusen wehren sich nach Kräften. Ich wünschte, wir könnten ihnen mehr Unterstützung geben. Der Admiral will den offenen Krieg mit Spanien. Ich halte das für zu gefährlich und falsch.« Navarra strich sich die widerspenstigen Haare aus der Stirn. »Wir müssen im eigenen Land beginnen. Dieser Vertrag wird ein wichtiger Schritt für die Anerkennung der Protestanten in Frankreich sein. Wir haben ausgehandelt, dass uns die Universitäten offenstehen, Gewissensfreiheit und die Ausübung unserer Religion sind uns erlaubt, und auf zwei Jahre erhalten wir La Rochelle, Montauban, Cognac und La Charité.«
»Na, jetzt haben sie sich hier schon an uns gewöhnt«, witzelte Hinrik.
»Messieurs, Ihr werdet mich nach Paris begleiten. Wir brechen morgen auf«, verkündete Heinrich. »Ihr wisst, dass auch Admiral Coligny bereits auf dem Weg in die Hauptstadt ist.«
»Aber die Kranken!«, protestierte Hippolyt.
»Sie werden eben ohne Euch auskommen müssen. Ich möchte Euch dabeihaben, weil ich Euch vertraue«, sagte Heinrich. »Und es gibt nur wenige Menschen, von denen ich das behaupten kann. Der Louvre ist eine Schlangengrube, und mir graut es allein bei dem Gedanken an die königlichen Vipern. Morgen früh bei Sonnenaufgang brechen wir auf.«
Abrupt drehte sich Heinrich um und schritt davon. Gerwin sah fragend von Hippolyt zu Hinrik.
»Wir halten Heinrich für einen vielversprechenden jungen Mann und haben ihn von Walters Bemühungen in England
Weitere Kostenlose Bücher