Die Lautenspielerin - Roman
Korb mit Reisig zwischen sich trugen.
»Gott zum Gruße. Ich suche den Medicus, Hippolyt ist sein Name.«
Die ältere Frau war mager und verhärmt, musterte sie jedoch interessiert mit ihren hellen blauen Augen. »Ihr seid nicht von hier.«
Jeanne hatte Mühe, die stark dialektgefärbte Sprache zu verstehen. »Nein. Mein Vater und ich kommen aus Frankreich. Wir sind bei den Froehners zu Besuch.«
»Aber ja, Ihr seid die Hugenotten, die Friedger hergebracht hat!« Die Frau biss sich auf die Zunge und versicherte schnell: »Er hat es uns erzählt. Ich bin Gudrun Pindus, Friedger ist mein Mann.«
»Bitte, gute Frau. Ich will nicht unhöflich sein, aber es hat einen Unfall gegeben, und wir brauchen dringend einen Medicus«, drängte Jeanne.
»Hippolyt ist fortgerufen worden. Gerwin, mein Sohn, hat ihn begleitet«, sagte Frau Pindus.
Ihre Tochter ruckte ungeduldig am Korb und warf einen neidvollen Blick auf Jeannes dicken Umhang. Ihre eigene Kleidung war zerschlissen und voller Flicken, die nackten Füße waren mit Lumpen umwickelt.
»Wann kommen sie zurück?«, fragte Jeanne.
»Was weiß ich. Mir sagt keiner Bescheid. Komm, Hedwig.« Frau Pindus und ihre Tochter ließen Jeanne stehen, die den ärmlichen Gestalten nachblickte und unverrichteter Dinge zum Froehnerhaus zurückkehrte.
Man hatte Franz inzwischen in die Küche gebracht, wo er mit bleichem Gesicht den durchbluteten Verband an seiner Hand anstarrte. »Ich werde nie wieder arbeiten können …«
»Reiß dich zusammen, Junge!«, herrschte Thomas ihn an und
seufzte, als er Jeannes Nachricht hörte. »Der Schnitt ist zu tief, der muss genäht werden, sonst wächst das nicht wieder zusammen.«
»Dann müssen wir zum Bader nach Großhartmannsdorf. Na los, Franz, steh auf. Laufen kannst du ja wohl noch.« Ulmann sah sich unwillig um. »Immer nur Ärger mit dem Burschen. Afra, bring unsere Mäntel. Wir machen uns unverzüglich auf den Weg, dann sind wir am Nachmittag dort, übernachten im Gasthaus und sind morgen Mittag zurück. Was mich das kostet!«
Jeanne konnte nur schwer ihre Erleichterung darüber verbergen, für kurze Zeit von Franz’ Gegenwart befreit zu sein, und bückte sich nach einem Eimer.
»Was soll das?« Agathe war dazugekommen. »Willst du dich wieder vor der Arbeit drücken?«
»Ich gehe das Blut in der Werkstatt aufwischen, wenn’s recht ist.« Jeanne packte den Eimer und einen Lappen und ging in den Hof, wo Zilla gerade Wasser vom Fluss heraufbrachte.
»Gibst du mir etwas davon?«, bat sie die Magd, die ihrer Bitte sogleich nachkam, obwohl das bedeutete, dass sie den beschwerlichen Gang zum Fluss noch einmal machen musste.
»Franz hat sich verletzt und geht mit seinem Vater zum Bader nach Großhartmannsdorf«, erklärte Jeanne.
»Des einen Pech, des andern Glück«, meinte die Magd und sah sich nach der Hintertür um. »Ist er schwer verletzt?«
»Tiefer Schnitt in der Hand.«
Zilla spuckte aus. »Hoffentlich verreckt er dran, aber den Gefallen tut er uns sicher nicht.«
Die beiden Frauen beeilten sich, ihre Eimer aufzunehmen, als Agathe den Kopf zur Tür herausstreckte. Bevor Jeanne zurück ins Haus ging, warf sie einen Blick zum grauen Februarhimmel. Die schneidende Kälte war einer feuchten Witterung gewichen, die sie als noch unangenehmer empfand, denn sie drang durch alle Ritzen des Hauses. Thomas hustete stärker, und Agathe klagte
über Gelenkschmerzen. Zilla litt ebenfalls an Husten und versuchte nachts vergeblich, die Anfälle zu unterdrücken.
Ohne die Alte eines Blickes zu würdigen, schob Jeanne sich an ihr vorbei. Sie wischte das Blut auf und spülte die Holzdielen mit Wasser nach. Ein dunkler Fleck würde bleiben, aber davon gab es bereits reichlich, nur dass die anderen Verfärbungen von herabtropfendem Lack, Kleber oder Farbe stammen mochten. Sie hörte die Tür zuklappen.
»Jeanne, mignonne .« Endres kam mit Thomas herein und strich ihr übers Haar. »Komm, ich zeig’ dir, woran ich arbeite.«
In der Werkstatt gab es drei Werkbänke, die größte stand direkt vor einem Fenster, eine in einer Nische und die dritte hinter einem Regal. Auf dem Boden lagen halbrunde Holzklötze unterschiedlicher Größe, auf denen die Holzstreifen, Späne genannt, für die Instrumente geleimt wurden, ein Biegeeisen, in das ein heißer Eisenkern gelegt wurde, damit man über dem Eisen die Späne in Form biegen konnte, sowie ein Schleifstein. Jeanne erkannte auch die Zieglinge, mit denen das Holz geglättet wurde und die vom
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