Die Lautenspielerin - Roman
volltönende Instrument zu
zupfen, da kam Afra herein und bedachte sie mit einem bösen Blick. Mit dem Finger auf sie deutend, schnarrte sie: »Ich bin es leid, ständig nach ihr rufen zu müssen. Sie hat ein Hemd mit der Plättglocke verbrannt …«
»Scher dich hinaus, Weib, und stör uns nicht! Wenn ich es für richtig halte, schicke ich dir Jeanne, damit sie dir zur Hand geht. Bis dahin bleibt sie hier und probt die neue Theorbe«, sagte Thomas in so scharfem Ton, dass seine Schwiegertochter erschrocken zurückfuhr.
»Aber … Ich verstehe nicht …«, stotterte Afra.
»Das brauchst du auch nicht. Tu einfach, was ich sage!«, befahl Thomas.
»Ungeheuerlich!« Verärgert schlug Afra die Tür zu.
Jeanne spielte weiter und vergaß für einige kostbare Momente die Welt um sich herum.
4
Erschöpft standen Hippolyt und Gerwin neben dem Krankenlager und betrachteten den jungen Patienten, der die Amputation und den damit verbundenen Blutverlust überstanden hatte und jetzt in Schlaf gefallen war. Während der Operation hatte Christoph von Alnbeck jeden ihrer Handgriffe beobachtet, und hätte Hippolyt nicht die größte Ruhe an den Tag gelegt, Gerwin wären vor Angst die Instrumente aus den Händen gefallen.
Nachdem der Ritter sich überzeugt hatte, dass sein Sohn die kommende Nacht überleben würde, verließ er den Raum. Gerwin verteilte den Rest Branntwein auf zwei Becher und reichte einen dem Wundarzt.
»Du versetzt mich immer wieder in Erstaunen, Hippolyt. Wo hast du nur gelernt, so konzentriert zu arbeiten, während das Damoklesschwert über unseren Häuptern schwebte?«
»Ich kenne mein Handwerk und den Ruf dieses Ritters. Ich wusste, worauf ich mich einlasse.« Lächelnd hob er den Becher und nahm einen tiefen Zug.
Das Feuer im Kamin brannte, mehrere dreiarmige Kerzenleuchter, nach denen Hippolyt verlangt hatte, warfen ihre flackernden Schatten an die mit bunten Stoffen bespannten Wände.
»Warum sind wir dann mit diesem Rainald gegangen?«
»Wie gesagt, ich kenne den Ruf des Christoph von Alnbeck.« Hippolyt seufzte und setzte sich in einen Lehnstuhl. »Er ist als jähzorniger, tyrannischer Herr in der Region verschrien und mehr als einmal bereits vor Gericht zitiert worden. Wer sich ihn zum Feind macht, hat einen Feind fürs Leben. Andererseits kann er ein ebenso treuer Freund sein. In den Genuss dieser Freundschaft kommen jedoch nur wenige.«
»Einer dieser Auserwählten dürfte Graf von Castelnau sein, der dich so warmherzig und leichtsinnig empfohlen hat.«
»Lars von Castelnau, ein reizender Mensch. Ehrenhaft, verstand sich aufs Fechten wie kaum ein Zweiter. Aber das ist ein Zeitalter her. Gerwin, geh doch bitte in die Küche und lass uns ein anständiges Mahl richten. Wir haben es uns verdient. Du hast glänzende Arbeit geleistet. Schade, dass sie den Arm gleich mitgenommen haben. Wir hätten ihn sezieren können.«
Gerwin raufte sich die Haare. »Du hast Einfälle … Ich bin froh, dass der Ritter uns die Köpfe gelassen hat.« Kopfschüttelnd zog er sich sein Wams über das blutverschmierte Hemd. »Vielleicht kann ich ein Mädchen überreden, uns zwei saubere Hemden zu geben. Den Hausherrn scheinen wir nicht mehr zu interessieren.«
»Sag das nicht. Er wird uns so lange hierbehalten, bis sein Sohn die Krisis überstanden hat, was, so Gott will, in zwei oder drei Tagen der Fall sein wird.« Hippolyt kratzte sich den kahlen Schädel und bleckte die Zähne, die in erstaunlich gutem Zustand waren. Er hatte Gerwin die tägliche Pflege mit Minzblättern und Holzstöckchen empfohlen.
»Wenn ich zurückkomme, erzählst du mir von diesem Grafen, dem Fechter. Du steckst voller Geheimnisse, Hippolyt.«
Der Wundarzt lachte leise. »Das Leben ist ein Mysterium.«
»Meines gewiss nicht, aber deines. Und ich dachte schon, ich kenne dich …« Rasch trank Gerwin den Branntwein aus, klopfte Hippolyt freundschaftlich auf die Schulter und verließ das Krankenzimmer.
Auf dem Balkon schlug ihm die kalte Nachtluft entgegen. Nach mehreren tiefen Atemzügen und einigen Leibesübungen, die seine müden Muskeln dehnten, ging er an der Balustrade entlang zur Treppe, die in den Innenhof führte. Bis auf Fackeln am Tor und an den Eingängen von Stallungen und Küche lag das Gut im Dunkeln. Es war üblich, dass die Köche und Küchenmägde bis spät in die Nacht arbeiteten und in aller Frühe wieder anfingen. Kein leichtes Los, dachte Gerwin und schnupperte, doch es hing kein Duft von Gebratenem in der Luft.
Zu
Weitere Kostenlose Bücher