Die Lautenspielerin - Roman
Instrumentenmacher mit besonderer Sorgfalt geschliffen wurden. Feilen, Sägen und Schnitzer hingen ordentlich aufgereiht an der Wand. Töpfe und Flaschen mit den Zutaten für die Lacke, den Leim und die Farben standen auf einem Tisch. Jeanne wusste, dass jeder Instrumentenmacher die Geheimnisse seiner Kunst hütete wie seinen Augapfel.
Während Thomas sich an die große Werkbank vor dem Fenster setzte und einen Hobel in die Hand nahm, ging Endres mit ihr in die Nische. Ein halbrunder Klotz lag dort neben einigen bereits fertig bearbeiteten Streifen aus Eibenholz. Die Späne waren etwas mehr als fingernagelstark und hatten eine seltene Maserung, denn je eine Hälfte war fast weiß.
»Wunderschönes Holz, Vater!«, rief sie aus und stellte sich das exquisite Dekor des Lautenkorpus vor, denn auf eine Diskantlaute deutete die Größe des Modellklotzes hin.
»Das verdanke ich Thomas.« Endres nickte lächelnd in Richtung seines Ziehvaters, der den Kopf hob.
»Es hat auf dich gewartet, Endres. Die Eibe oben auf der Bernhardshöhe.«
»Das ist ihr Holz?«, fragte Endres erstaunt und strich liebevoll über das edle Stück.
»Welche Eibe?« Jeanne begriff nur, dass es sich um wertvolles, seltenes Nadelgehölz handelte.
Thomas legte den Hobel weg. »Er hat dir nichts von damals erzählt, nicht wahr? Nun, dir ist vermutlich bekannt, dass gutes Holz lange lagern muss, um brauchbar zu sein. Darüber hinaus sind die Auswahl des Baumes und das Schlagen eine Kunst. Damals bin ich oft mit Endres und Ulmann durch die Wälder gestreift, um passende Bäume auszusuchen, und Endres hat sich diese besonders prächtige Eibe ausgewählt. Er hat sie abgeklopft und in ihr den Klang einer Laute vernommen. Wir beschlossen, sie beim nächsten Neumond zu fällen.«
»Doch dazu ist es nie gekommen«, sagte Endres leise.
»Nein. Du hast dich mit Ulmann überworfen. Willst du mir nicht endlich sagen, was damals noch vorgefallen ist?«
Selbst Thomas wusste also nicht, was seine Söhne endgültig entzweit hatte. Das musste Endres’ Verschwinden noch schmerzhafter für ihn gemacht haben, dachte Jeanne.
Ihr Vater räusperte sich. »Eine Frau. Es war wegen einer Frau, aber ich möchte nicht darüber sprechen.«
»Gudrun?«
Die Frau auf der Dorfstraße, dachte Jeanne.
»Nein.« Endres atmete tief durch.
»Etwa wegen Afra?«, fragte Thomas ungläubig.
Diese Frage löste die Spannung, denn Endres musste unwillkürlich lachen. »Ich war jung und vielleicht leichtsinnig, aber weder taub noch blind.«
In den Augen des alten Mannes blitzte der Schalk auf. »Nein,
du hast einen gesunden Menschenverstand.« Er wurde ernst: »Aber bevor du uns verlässt, verrätst du mir, was passiert ist, denn ich glaube kaum, dass wir uns danach noch einmal wiedersehen …« Der alte Instrumentenmacher hustete.
Jeanne hatte Mitleid mit ihm. Seine Söhne hatten ihn enttäuscht, und den Mann, der sein Sohn hätte sein sollen, würde er wieder verlieren. Ihr Blick ging von den beiden Männern zur Stirnseite der Werkstatt, wo zwei halbfertige und zwei fertige Instrumente hingen. Eine schwarzweiße Theorbe fiel durch ihre ungewöhnliche Musterung auf.
»Die Eibe«, nahm Thomas den Faden wieder auf. »Ich habe sie gefällt, so wie es sein soll - bei Neumond. Sie fiel hangabwärts, damit die Nadeln beim Fallen noch den Saft aus dem Stamm ziehen. Je trockener das Holz, desto besser. Aus einem Teil haben wir vor zwei Jahren eine vierzehnchörige Theorbe und eine Basslaute für den Dresdner Hof gefertigt. Den Rest hatte ich aufbewahrt, und jetzt ist er in den besten Händen.«
Endres klopfte auf die Späne. »Sie werden großartig klingen. Mignonne , willst du für uns spielen, während wir arbeiten? Ich denke, dass Agathe und Afra dich eine Weile entbehren können.« Er setzte sich an seine Werkbank.
»Ich würde die Theorbe gern hören, wenn sie von Meisterhand gespielt wird«, sagte Thomas, und Jeanne ging zur Wand, um das schöne Musikinstrument herunterzunehmen. Die Theorbe war nicht größer als die daneben hängende Altlaute, und aus der Nähe sah sie die detaillierten Elfenbeinschnitzereien, die Blumen und Vögel zeigten. Die wunderschöne, filigrane Rosette war aus mehrfach verleimtem und gestanztem Pergament.
Jeanne setzte sich auf einen Schemel und stimmte die Doppelsaiten, die Chöre. Anders als bei Cistern, deren Bünde fest eingelassene Metallstäbe waren, erfüllten hier stramm gebundene Darmsaiten diese Funktion.
Kaum hatte Jeanne begonnen, das
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