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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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widersetzen, sank Jeanne auf ihr Lager. Arme Coline, dachte sie und hoffte, dass das Mädchen unbeschadet nach Paris gelangte. Von nun an würde sie eine mustergültige Hugenottin sein müssen, denn ihr Vater sollte nicht leiden. Und vielleicht fand sich irgendwann eine Möglichkeit, eine Nachricht an Lady Dousabella zu schicken. Wenn der Friede anhielt und Katharina und das Haus Valois die Guisen nicht länger fürchten mussten, konnte sich auch ihre Lage verbessern.
    Manches Mal dachte sie in den folgenden Wochen mit Wehmut an die Monate mit ihrem Vater im sächsischen Helwigsdorff zurück. Und ganz selten erlaubte sie sich einen Gedanken an die sanften Augen eines jungen Medicus.

34
    Der Frühling 1571 erlöste die gebeutelte Bevölkerung von einem langen, frostreichen Winter. Die Eisdecken auf Teichen und Weihern waren erst Ende April verschwunden. Gerwin schüttelte sich das Heu aus den Haaren und streckte sich. Die letzten zwei Monate hatte er bei einem Bauern verbracht, dessen Familie wie fast die Hälfte der zwischen Nierstein und Mainz lebenden armen Landbevölkerung der furchtbaren Seuche Ignis sacer zum Opfer gefallen war. Schomberg und sein Gefolge waren nach Aufenthalten
bei verschiedenen kleinen Landesfürsten bereits nach Mainz weitergezogen, wo sie Aufnahme bei Kurfürst Daniel Brendel von Homburg fanden. Kurfürst von Homburg war 1555 zum Erzbischof des Kurerzstiftes Mainz gewählt worden und vor allem dem katholischen Frankreich freundlich gesinnt.
    Gerwin klopfte sich den Staub aus den Kleidern und verließ den Heuboden über eine Leiter. Unten im Stall machten sich drei Kühe und eine magere Sau über ihre Morgenmahlzeit her. Als Gerwin Schombergs Gesandtschaft vorübergehend verlassen hatte, weil er das Elend der erkrankten Landbevölkerung nicht mehr hatte mit ansehen können, war es in der Hoffnung geschehen, die Ursache für die seltsame Krankheit finden zu können, die auch in Frankreich sporadisch auftrat und die Bevölkerung dezimierte.
    » Ignis sacer , Heiliges Feuer, wo hast du deinen verteufelten Ursprung?«, murmelte Gerwin, während er auf den Hof hinaustrat und in den blauen Maihimmel blickte. Er ging zur Pumpe und wusch mit eiskaltem Wasser Kopf und Oberkörper, denn von Hippolyt hatte er gelernt, dass Reinlichkeit das erste Gebot für den Erhalt der Gesundheit war. Er vermisste seinen Freund und Mentor. Vor allem angesichts dieser Seuche, welche die armen Menschen wie die Fliegen dahinraffte und der er machtlos gegenüberstand.
    Auch Bauer Johannes hatte sich gestern mit den gefürchteten Symptomen niederlegen müssen. Lähmungserscheinungen hatten Hände und Füße befallen. Wie viele andere klagte er über ein Pelzigsein der Haut, als liefen Tausende Ameisen in seinen Gliedmaßen herum. Manche Patienten wurden vom Wahnsinn befallen, bevor sie starben. Wenn es zum Äußersten kam, zeigten sich bei den Kranken Blasen auf der Haut, die Gliedmaßen wurden kohlschwarz, brandig und faulig, zuletzt lösten sich Hände und Füße einfach vom Körper ab. Sie faulen ab wie die morschen Äste von einem Baum, dachte Gerwin und zermarterte sich das Hirn, warum es manche traf und andere nicht. Es war nicht wie bei einem Fieber oder der Pest, wo alle Bevölkerungsschichten
gleichermaßen dahingerafft wurden . Ignis sacer schien eine weitere Geißel der Armen zu sein, und Gerwin kam der Verdacht, dass die unzureichende Nahrung des schlechten Winters ein Grund für die Seuche sein könnte. Das Heilige Feuer schien immer im Zusammenhang mit Hungersnöten aufzutreten.
    »Herr Medicus!«, rief die junge Bäuerin, eine verhärmte Frau mit tief liegenden blauen Augen. »Bitte, seht nach meinem Mann. Es steht schlecht um ihn.«
    Gerwin streifte sich Hemd und Wams über, schnallte seinen Gürtel um und folgte der Frau, die außer ihrem kranken Mann fünf Kinder zu versorgen hatte, ins Wohnhaus. In der Küche bereitete eine Magd einen Brotteig vor. Auf dem gestampften Lehmfußboden saß ein zurückgebliebener Junge und rupfte ein Huhn, während ihm Schleim aus dem offen stehenden Mund tropfte. Das vormals kräftige, gesunde Kind war vor fünf Jahren von Ignis sacer befallen worden. Die Krankheit hatte einen verblödeten Krüppel mit verbogenen Gelenken und deformierten Händen aus ihm gemacht.
    Im Vorbeigehen sah Gerwin in einer Schüssel schmutziges Mehl, und er dachte an Hippolyt, der immer betonte, dass unverdorbene Nahrung genauso wichtig war wie klares Wasser. Von allem, was faul war, solle man die

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