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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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»Hier, bitte, das gehört Euch.« Sie nestelte an ihrem Gürtelbeutel und nahm die silberne Brosche heraus, die er ihr geschenkt hatte. »Gebt es jemandem, der es wert ist.« Sie legte ihm die Brosche in die Hand und umschloss sie kurz mit zitternden Fingern. Dann drehte sie sich um und stellte sich mit dem Rücken zu ihm ans Fenster. »Adieu!«, flüsterte sie leise.
    Erschüttert ging Gerwin hinaus und wäre vor der Tür fast mit Arnauld zusammengestoßen. Unbemerkt ließ er die Brosche in seine Tasche gleiten und eilte aus dem Haus, als wären die Furien hinter ihm her.
    Wie ein Besessener trieb er sein Pferd durch die Weinberge und lenkte es an der Wegkreuzung vor Thibie auf die Straße nach Châlons-sur-Marne. Weg von hier, war alles, was er denken konnte. Und Schombergs Gesandtschaft war die beste Möglichkeit, Abstand zu gewinnen - und Zeit. Und gehört Geduld auch nicht zu meinen herausragenden Tugenden, dachte Gerwin, so werde ich mich darin üben lernen! Wütend trieb er sein Pferd durch die Furt eines Nebenflusses der Marne. Die Staubwolke in der Ferne zeigte ihm, dass er Schombergs Truppe bis zum Abend einholen konnte.

33
    Die Alte humpelte über den Hof, sammelte die herbstlich verfärbten Blätter und sah nach oben zum Fenster der schönen, traurigen Madame. Stundenlang stand die dort am Fenster und murmelte Gebete. Selbst wenn ihr Kind im Hintergrund schrie, hörte La Sainte , wie man sie heimlich nannte, nicht auf zu beten.
    Jeanne nahm die alte Magd aus den Augenwinkeln wahr und schlug weiter mit den Fingern der rechten Hand den Takt auf
den Knöcheln der linken. Die dachten, sie könnten sie einsperren und ihr die geliebte Musik nehmen! Dabei hörte sie die Lieder, die sie hundert-, nein, tausendmal gespielt hatte, in ihrem Innern, täglich, ständig. Sie schloss die Augen und summte ein Rondeau. Die Töne waren Vergangenheit und Gegenwart zugleich, sie sprachen zu ihr von fernen Tagen, erweckten die Sehnsucht der Erinnerung und schienen wie das Echo der Ewigkeit.
    Nach dem Rondeau ging sie ein Madrigal von Cyprian de Rore durch, Note für Note, Akkord für Akkord, die Saiten ihrer Laute konnte sie fühlen. Ein Misston störte die aufsteigende Tonreihe in mineur . Sie öffnete die Augen und kehrte zurück in die verhasste Welt, in der sie leben musste.
    Gabriel lag in seiner Wiege und schrie. Automatisch gab Jeanne der Wiege einen Stoß, dass sie hin- und herschwang und das störende Geschrei erstarb.
    »Du bist hier. Und mein Vater, der mich braucht, ist allein in Paris bei diesem herzlosen bigot «, flüsterte sie und sah hinaus auf den Hof, auf dem ein kleiner Junge mit einer Schleuder nach Singvögeln schoss.
    Alles Schöne muss sterben, dachte Jeanne. Wozu töten wir die winzigen Vögel, die kaum Fleisch geben? Ein Stein, der den zarten Schädel zertrümmert, oder der Tod im Netz, langsam, qualvoll. Am Ende wartet immer der Tod. Und da liegt ein junges Leben, das ich in die Welt gebracht habe, und es erinnert mich nur an die Schlechtigkeit dieser Welt. Vorsichtig drehte Jeanne sich um und sah von der Seite in die Wiege. Ihr Sohn war wieder eingeschlafen. Sie beugte sich vor, um ihm einen Kuss zu geben, doch da öffnete er die Augen, und sie zuckte zurück, als hätte sie einen Schlag erhalten. Er lag ganz ruhig und sah sie unverwandt an. »Sieh mich nicht an! Hörst du? Sieh mich nicht an!«, murmelte sie, wandte sich ab und weinte.
    Kalte Winde zogen über die Weinberge. Mit dem November war die ungeliebte nasskalte Jahreszeit angebrochen. Jeanne stürzte
zur Waschschüssel und übergab sich. Seit Tagen kämpfte sie gegen Übelkeitsanfälle. »Coline!«, rief sie und wischte sich den Mund.
    Die Sulzerstochter kam mit einem strahlenden Lächeln herbeigelaufen. Cosmè war ihrer überdrüssig geworden und hatte sie vor die Wahl gestellt, nach Thibie aufs Land oder zurück zu ihrem Vater zu gehen. Sie war einen Monat nach Gerwins Besuch angekommen und hatte Jeanne mit Nachrichten von ihrem Vater und Geschichten aus der Stadt aufzumuntern versucht. »Madame! Übelkeit?«
    Jeanne sank auf den Stuhl und ließ es zu, dass Coline ihr mit einem feuchten Lappen das Gesicht und den Nacken abwischte. »Kein Wort darüber! Es wird vergehen.«
    Coline hatte, wie alle im Pariser Haus der Paullets, von ihrer angeblichen Affäre mit Henri de Guise gehört. »Madame, Ihr habt einen gesunden Jungen zur Welt gebracht. Bei einigen gesegneten Frauen verlaufen die Schwangerschaften ohne Komplikationen. Ich habe das

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