Die Lautenspielerin - Roman
bei meiner Cousine erlebt, die …«
Jeanne hob die Hand. »Nein! Es wird wieder vergehen, verstehst du? Ich bin nicht guter Hoffnung.«
»Aber … Euer Leib ist schon geschwollen, doch sonst seid Ihr viel zu mager geworden, knochig.« Das gutmütige Gesicht der Sulzerstochter war voller Mitgefühl.
»Die Übelkeit wird vergehen, weil ich eine Arznei einnehme, die sie vertreibt.« Vielsagend sah sie Coline an.
Das junge Mädchen riss die Augen auf und schlug sich die Hände vor den Mund. Mit gekräuselter Stirn schloss sie die Tür. »Wenn ich es recht verstehe, ist die Ursache Eurer Übelkeit im Hôtel de Guise zu suchen?«
Jeanne nickte und presste die Lippen aufeinander. Es gab keine andere Möglichkeit, denn nur während ihrer Gefangenschaft bei der Montpensier hatte sie keine Vorsorge zur Verhinderung einer Schwangerschaft treffen können. Aber sie würde nicht noch einmal durch die Hölle gehen. Auch wenn ihr Körper missbraucht
wurde, so konnte sie zumindest versuchen, ihre Seele zu retten. »Ich möchte, dass du Gabriel mit in dein Zimmer nimmst, und wenn Arnauld fragt, sagst du, dass ich krank bin und das Kind nicht gefährden will. Ich werde viel Blut verlieren und benötige ausreichend Tücher.«
»Wann, Madame?«
»Heute Nacht, Coline. Ich bereite alles vor.« Ihr Blick fiel auf die Truhe, in der sie das Kästchen mit den Arzneien von Lady Dousabella aufbewahrte.
Spät an diesem Abend, als sie allein in ihrem kargen Zimmer war, nahm sie die Zutaten hervor und mischte den abortiven Trank, zu dessen Bestandteilen acht Unzen weißer Pfeffer, zwei Unzen Fenchel, acht Unzen Ingwer, zwei Unzen Geranien, Selleriesamen, Petersilie, acht Unzen Kreuzkümmel und Anis zählten. Vom Schlafmohn hatte sie nur eine winzige Menge, doch es musste eben so gehen. Entschlossen leerte sie den Becher in einem Zug und legte sich ins Bett.
Während sie auf die Wirkung des Abtreibungsmittels wartete, dachte sie an die Ereignisse der letzten Wochen und Monate. Herzog Henri de Guise hatte die verwitwete Katharina von Kleve heiraten müssen, nachdem er tatsächlich die Stirn gehabt hatte, bei Katharina de Medici um die Hand ihrer Tochter Margot anzuhalten. Solche Dreistigkeit hatte selbst Katharina überrascht. Mich nicht, dachte Jeanne und zog die Knie an. Ziehende Schmerzen machten sich in ihrem Unterleib bemerkbar. Es wäre besser gewesen, den Trank schon früher einzunehmen, doch es hatte sie Zeit und List gekostet, sich die fehlenden Bestandteile zu beschaffen, und dann hatte sie Zwischenblutungen gehabt und gehofft, das Ungeborene wäre abgegangen. Nun ja, es war nicht zu spät, nur würde es schmerzhafter werden. Um nichts in der Welt wollte sie die Frucht des Herzogs gebären.
Wäre es Gerwins Kind gewesen, sie hätte es mit Freuden ausgetragen.
Schluchzend drückte sie den Kopf ins Kissen. Es war das einzig Richtige gewesen, ihn fortzuschicken! Sie war verderbt, nicht besser als die Dirnen in den Bordellen von Paris! Nein, sie war schlechter, weil sie nach dem Glanz des Hofes geschaut und sich in der Gunst ihrer Bewunderer gesonnt hatte. Ihre Sünde war Eitelkeit. Bitter verzog sie die Lippen. Das würde ihrem bigotten Ehegatten gefallen, eine Frau, die sich klein und schmutzig fühlte und vor den Moralpredigern im Staub kroch. Eine Welle des Schmerzes überfiel sie, doch es würde noch dauern, bis sich die Frucht aus ihrem Leib löste und hinausgestoßen wurde. So hatte es Lady Dousabella beschrieben.
Gleichmäßig atmen, ermahnte sich Jeanne und legte sich auf den Rücken. Das Edikt von Saint-Germain hatte den Hugenotten Rechte gegeben, Rechte, die auf dem Papier standen und in der Realität nicht existierten. Die Katholiken drangsalierten und schikanierten ihre protestantischen Nachbarn weiterhin auf jede erdenkliche Art und Weise. Nach und nach waren die Hugenotten aus allen wichtigen Ämtern verdrängt worden. Wer schützte einen Protestanten, wenn Richter, Bürgermeister und Büttel eines Ortes Katholiken waren, die sich heimlich darüber amüsierten, wenn protestantische Gefangene vom Mob in den Straßen angegriffen und getötet wurden?
Vor einigen Tagen hatte ein Bote die Nachricht vom Sieg der Heiligen Liga über die türkische Flotte bei Lepanto gebracht. Arnauld verlas den Brief aus Paris beim Essen. Jeanne hatte die heimliche Freude in den Gesichtern des zwangskonvertierten Gesindes gesehen. Hier in der Champagne gab es mehr Katholiken als Protestanten, doch wer einen strenggläubigen Hugenotten
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