Die Lautenspielerin - Roman
lassen. Die Burg war niedergebrannt, aber der Homburg lässt sie wieder herrichten.« Der Schiffer, ein Mann mit gegerbter Haut und unzähligen Falten um die Augen, spuckte aus. »Scheffelt die Gulden mit beiden Händen! Da kann er munter bauen lassen. Das Stapelrecht macht die da droben reich! Wir armen Schweine müssen zahlen, wie immer.«
»Stapelrecht?«
»Alles, was an Waren an Mainz vorbei- oder hindurchgeht, muss drei Tage zum Verkauf angeboten werden. Ihr werdet das Kaufhaus am Brand schon noch sehen. Das bringt dem Kurfürsten Gebühren, und das nicht zu knapp.«
»Ja, aber was ist denn mit Milch, Fleisch oder dergleichen verderblichen Waren?«
»Losschlagen musst du die, sonst geht’s dir schlecht. Die droben kümmert’s nicht, was wird. Entweder unsereins kann Stapelgeld zahlen, um durchziehen zu dürfen, oder es heißt drei Tage bleiben. Seit der Homburg auch noch zum Erzbischof gewählt wurde, gibt sich Mainz katholischer als der Papst, und dieses scheinheilige Jesuitenvolk ist eingezogen. Teufel auch, das hat uns gerade noch gefehlt …« Er hielt inne und blinzelte in die Sonne. »Welcher Konfession gehörtet Ihr noch an?«
»Ich habe nichts gesagt. Doch haben wir alle dasselbe Kreuz zu tragen, und der Tod macht alle gleich, ob Bettler oder Edelmann«, meinte Gerwin grinsend.
»Wahrlich, auch denen, die ihn fliehen, jagt der Schnitter hinterher«, unkte der Schiffer. »Wo soll ich Euch absetzen, Herr Medicus?«
Die Burg stand am Ende der Mainzer Stadtmauer, und wo das Ufer flach abfiel, gab es eine Anlegestelle. »Dort, wenn es möglich ist.« Gerwin hängte sich seine Taschen um und stand auf. Die langen Haare trug er im Nacken gebunden, den Bart stutzte
er sich kurz. Seine Reisekleidung war aus robustem Leder, Waffen und Gürtel waren solide, aber nicht wertvoll. Er hatte stets einen leichten wollenen Umhang mit Kapuze bei sich, der ihm nachts als Decke oder Kissen diente und ihn beim Reiten vor Wind und Regen schützte. Fast zwei Jahre war es her, dass Gerwin Helwigsdorff verlassen hatte, und er hatte sich verändert. Vor allem die vergangenen zwei Monate hatten ihm viel abverlangt, und wenn er sein Spiegelbild sah, kannte er sich selbst nicht wieder.
Der Schiffer und seine beiden Bootsjungen brachten Gerwin und sein Pferd sicher an Land. »Gott mit Euch!«
»Und mit Euch!«, rief Gerwin und führte sein Pferd den Hang hinauf.
Die Wächter am Stadttor ließen ihn nach einem Blick auf die Satteldecke mit dem königlichen Wappen passieren. Man erklärte ihm, dass die französische Gesandtschaft nur einen Steinwurf entfernt in der Martinsburg logiere, und kaum war Gerwin durch das Tor, sah er auch schon einen königlichen Soldaten, den er kannte. Dieser zeigte Gerwin, in welchem Teil der Burg die Gesandtschaft untergebracht war, nahm Gerwins Pferd und übergab es im Hof der Obhut eines Stalljungen. Dann deutete er auf einen der mächtigen Wehrtürme, die mit Zinnen und Schießscharten versehen waren. »Gesinde und Soldaten logieren dort. Die Verpflegung ist in Ordnung, kein Grund zur Klage, doch es ist gut, dass Ihr wieder bei uns seid, Medicus. Wir hatten einen Unfall mit einem der Wagen, und zwei Burschen hat es übel erwischt.«
Wo die Quartiere der Männer waren, verriet der lauter werdende Lärm, während sie die Treppen hinaufstiegen. »Wie lange seid ihr schon hier, Battons?«
»Zwei Wochen. Bin froh, wenn es weitergeht. Obwohl es genug Papisten in der Stadt hat, ich kann die Leute hier nicht leiden. Die verspotten uns, und nicht zu wenig. Wir sprechen zwar das Deutsche nicht, aber das haben wir schon verstanden, dass einige
uns hier nicht wohlgesinnt sind. Kommt!« Battons stammte aus der Normandie, stand seit fünfzehn Jahren in königlichen Diensten und kannte das Kriegsgeschäft und das Hofleben gleichermaßen.
Sie stiegen eine gewundene Treppe hinauf. Gerwin musste den Kopf einziehen, um sich nicht an den Steinstufen zu stoßen. Ein schmaler Gang, der nach innen offen war, so dass man in die Eingangshalle hinuntersehen konnte, führte zu den Quartieren. Durch die offenen Türen sah Gerwin die Männer beim Würfelspiel und Biertrinken. Weibergeschrei zeigte an, dass die Soldaten sich mit Huren vergnügten. Eine dralle Dirne rannte kichernd vor ihnen durch die Tür. Battons schüttelte den Kopf. »Versaufen und verhuren ihren ganzen Sold.«
Gerwin ging zu den Verletzten und behandelte einen offenen Unterschenkelbruch und einen entzündeten Fuß. Kurz vor Mitternacht legte er
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