Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
sie wollte es von ihm selbst hören.
    »Ich lerne bei Meister Hippolyt, einem großen Wundarzt. Eines Tages werde ich selbst ein Heiler sein!« Es hatte stolzer geklungen als beabsichtigt, doch sie schien es ihm nicht übelzunehmen.
    »Kranke zu heilen ist ein ehrenvoller Beruf. Allerdings gibt es viel zu viele Scharlatane, die den Leuten nur das Geld aus den Taschen ziehen.« Sie hielt verlegen inne. »Oh, entschuldigt, ich meine nicht Euch oder Euren Meister.«
    Gerwin lachte. »Wir scheinen uns dauernd entschuldigen zu müssen. Nein, Ihr habt vollkommen recht. Unser Berufsstand hat keinen guten Ruf.«
    »Wir sind da.« Jeanne streckte die Arme nach dem Korb aus, den Gerwin ihr nur widerwillig reichte, zu gerne hätte er sich weiter mit ihr unterhalten. Ihre Wangen waren gerötet von der Kälte, und dunkle Locken umspielten das schöne Gesicht, das er unentwegt anschauen musste.
    »Danke, Gerwin. Ich wünsche Euch viel Glück auf Eurem Weg zum Medicus.« Sie nickte ihm freundlich zu und zögerte einen Moment, bevor sie das Tor zum Aufgang des Froehnerhauses aufstieß.
    »Wartet!«
    Sie drehte sich um und fand sich von einem Blick mit so viel Wärme umfangen, dass ihr Magen sich seltsam gebärdete. »Ja?«
    »Ich«, stotterte Gerwin. »Ich würde Euch gern einmal spielen hören«, brachte er heraus.
    »Oh. Vielleicht, irgendwann.«
    »Was treibst du dort unten, Jeanne? Komm endlich herein!«, ertönte die scharfe Stimme von Agathe, die mit drohender Miene in der offenen Haustür wartete.
    Er sah Jeanne nach, bis sie im Haus verschwunden war. Erst als die Tür ins Schloss fiel, löste sich seine Befangenheit, und er stieg auf sein Pferd. Mit einem tiefen Atemzug füllte er seine Lungen
mit eiskalter Luft und rüstete sich für den letzten schweren Gang, der ihm in Helwigsdorff noch bevorstand. Er konnte nicht gehen, ohne seiner Mutter Lebewohl zu sagen.
    Vor der verkommenen Kate am Rande des Dorfes brachte er den Braunen zum Stehen, saß ab und befestigte die Zügel am Ast einer Birke. Was die Leute auch über Gudrun Pindus, geborene Waldeck, reden mochten, er wusste es besser. Langsam schritt er den unebenen Weg zum Eingang entlang. Das Gelände war abschüssig gegen den Fluss hin, und niemand außer den Ärmsten baute hier ein Haus. Oft genug verließ der Fluss sein Bett und flutete die Häuser im unteren Bereich des Dorfes. Als er die Tür aufstieß, kam ihm der vertraute Gestank in dicken Schwaden entgegen. Nie würde er diese Mischung aus Fäulnis, Schimmel, Kammerlauge und vergorenem Essen vergessen, die seine Kindheit geprägt hatte.
    Das Untergeschoss war in Küche und Sitzecke unterteilt. Eine Stiege führte ins Dachgeschoss, in dem sich zwei Schlafräume befanden. Einen teilten sich fünf Kinder, die beiden ältesten Schwestern waren bereits aus dem Haus. Wenn er nicht bei Hippolyt blieb, hatte Gerwin meist unten neben dem Küchenofen genächtigt.
    Seine Mutter stand mit dem Rücken zu ihm an einem langen Tisch und zerteilte die Reste eines mageren Huhnes, das seinen Weg in den Suppentopf finden sollte. Hedwig stand neben ihr und schälte Zwiebeln. Die Kleineren spielten mit Holzstücken und Lumpen auf dem Boden.
    Gerwin ließ die Tür los. »Mutter!«, rief er und durchbrach die geschäftige Stille des häuslichen Treibens.
    Gudrun wandte sich um, und ein Strahlen glitt über das vergrämte Gesicht. Rasch wischte sie sich die Hände an ihrer Schürze ab und umarmte ihren Sohn, der sie um einen Kopf überragte. Unter dem zerschlissenen Kleid fühlte er den bereits leicht gerundeten Rücken und die Knochen. Woher auch sollte sie Fett ansetzen, wenn es nie welches zu essen gab?

    »Ist er hier?«, war seine erste Frage, und sein Blick glitt wachsam zur Hintertür, durch die jeden Moment der betrunkene Friedger stürzen konnte. Im Hof befanden sich der Ochsenstall und die Kloake, die direkt in den Fluss entleert wurde, obwohl das verboten war. Gerwin wusste, dass der Dorfschulze nur aus Mitleid mit Gudrun und den Kindern ein Auge zudrückte.
    Gudrun schüttelte den Kopf. Ihre grauen Haare waren sorgsam unter einer weißen Haube versteckt. »Aber er müsste bald zurück sein. Du warst auf Dörnthal, habe ich gehört?« Sie streichelte seine Wange und schob ihm einen Stuhl hin. »Setz dich, gleich gibt es gute Suppe. Mit Fleisch!«, betonte sie.
    Hedwig sagte nichts, sondern starrte gierig auf das Huhn, von dem sie kaum etwas an ihren großen Bruder abgeben wollte.
    »Danke, aber ich muss gleich weiter. Ein

Weitere Kostenlose Bücher