Die Lautenspielerin - Roman
Becher Bier gegen den Durst wäre nicht übel.«
Einer seiner kleinen Brüder hatte vor die Tür geschaut. »Ist das dein Pferd, Gerwin?«
»Nein, Kurzer, das gehört dem Ritter Alnbeck auf Dörnthal. Er hat es mir gegeben, damit ich Medizin für seinen kranken Sohn hole.«
Gudrun reichte ihm einen Becher und wollte sich wieder an den Tisch stellen, doch Gerwin, der das Bier in einem Zug getrunken hatte, nahm ihre Hände. »Nur einen Augenblick.«
Ihre Augen waren so leer und freudlos, dass es ihm in der Seele wehtat. Er zog sie mit sich hinüber auf die andere Seite des Raumes und setzte sich ihr gegenüber auf einen Stuhl.
»Hedwig, gib die Zwiebeln in den Topf und dann noch von dem Kraut aus dem Kübel dazu!«, ordnete Gudrun an.
»Mutter, ich werde Hippolyt für einige Zeit begleiten.« Er betrachtete das schmale Gesicht seiner Mutter, deren dunkle Augen mit den langen Wimpern er geerbt hatte. Mit einer Hand nestelte er in seinem Gürtel und zog eine von Hippolyts Goldmünzen hervor. Sich vergewissernd, dass keines seiner Geschwister sie beobachtete,
drückte er seiner Mutter das Geldstück in die Hand und umschloss sie mit seinen Fingern.
»Gerwin, was …?«
»Nimm es und kauf davon Essen und Kleidung, was auch immer du brauchst, aber gib ihm nichts davon, versprich mir das!«
»Mein Junge, woher hast du das? Du hast doch nichts Unrechtes getan?« Ungläubig schaute sie kurz auf die Münze, um dann ihrem Sohn fest in die Augen zu sehen.
Er lächelte. »Nein.«
»Guter Junge. Ich habe immer gewusst, dass du es schaffen wirst. Du bist nicht wie er.« Einen Moment glomm Stolz in ihrem Blick auf, doch das Leuchten wurde von lautem Poltern und Brüllen fortgewischt, das die Ankunft Friedgers verkündete.
Sofort sprangen Gerwin und seine Mutter auf. Es gelang ihm gerade noch, sie fest in die Arme zu nehmen und auf die Wangen zu küssen, als sein Vater bereits hereinstürmte und mit glasigen Augen in den Raum stierte.
»Hundsfott, ist das dein Pferd? Wenn das dein Pferd ist, gehört es jetzt mir! Du schuldest mir Geld für Unterkunft und Essen«, brachte Friedger mit schwerer Zunge heraus und bemerkte erst jetzt seine verängstigte Frau. »Was stehst du hier herum? Mach das Essen fertig! Und nicht so einen Fraß!«
Speichel tropfte ihm aus den Mundwinkeln, und sein Atem stank säuerlich. Friedger rülpste laut und griff sich an seinen Hosenlatz. »Und dann gehst du mit mir nach oben. Ich habe Rechte, Weib!«
Bevor Gerwin in seinem Zorn auf den verhassten Vater zu seinem Dolch greifen konnte, stellte seine Mutter sich zwischen die Männer, schob Friedger in Richtung Stiege und sagte: »Ich komme gleich und bringe dir Bier.«
Friedger drehte sich um und verzog sein Gesicht zu einer Fratze, um dann auf die Treppe zuzuwanken.
Gudrun ergriff Gerwins Arm und brachte ihn zur Vordertür hinaus. »Geh, mein Sohn, ich liebe dich. Denke immer daran,
dass du nichts mit diesem Mann da drinnen gemein hast. Hörst du mich?« Sie sagte das so eindringlich, dass Gerwin verwundert stehen blieb, doch das Poltern auf der Stiege und derbe Flüche ließen Gudrun zusammenzucken. Mit Tränen in den Augen flüsterte sie: »Geh mit Gott, mein Junge.«
»Mutter!«, rief Gerwin heiser und wollte sie festhalten, doch sie machte sich los und verschwand hinter der Holztür, die Gerwin wie das Tor zur Hölle erschien. »Und Gott mit dir …«
5
Das Schicksal hatte ein Einsehen mit ihnen gehabt, dachte Jeanne und drehte zufrieden an den Wirbeln ihrer Laute, bis die Saiten in Quarten perfekt aufeinander abgestimmt waren. Sie zupfte eine Melodie aus ihrer französischen Heimat. Ulmann und Franz waren zwei Tage fort gewesen. Der Bader hatte den Schnitt mit mehreren Stichen genäht, und Franz war mit Leidensmiene im Haus herumgelaufen. Dann war der Brief aus Bärenstein eingetroffen. Afras Eltern lagen mit einem bösen Fieber danieder und baten die Tochter um Beistand. Nach einigem Hin und Her waren Ulmann und Afra gemeinsam nach Bärenstein gefahren, um den kranken Eltern zu helfen. Franz begleitete sie bis Mulda, wo er Geschäftliches erledigen wollte.
In Mulda gab es ein Badehaus, in dem man auch über Nacht bleiben konnte, um die Dienste der Bademägde in Anspruch zu nehmen, die sich für wenig Geld anboten. Die Not unter den Leuten war groß, das Geld knapp, und viele Frauen arbeiteten tagsüber in den Webereien oder im Wirtshaus und verdienten sich nachts im Badehaus etwas dazu. Obwohl jeder wusste, welche Geschäfte Franz nach
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