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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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unmäßigen Trinkens, des Wirtshausbesuchs und der Hurerei schuldig gemacht hast! Du bist nicht würdig, den Segen zu empfangen, und wirst für die nächsten vier Sonntage vom Abendmahl ausgeschlossen! Solltest du auch dann keine Reue zeigen und Buße tun, wirst du in dieser Gemeinde geächtet werden!«, donnerten die Worte von der Kanzel.
    Der Beschuldigte verbarg das Gesicht in den Händen. Thomas Froehner rückte ein Stück von ihm ab und redete leise auf ihn ein, wobei seine gerunzelten Augenbrauen nichts Gutes verhießen. Ihr Vater verzog keine Miene und folgte konzentriert dem protestantischen Ritus, der sich vor allem in den zahlreichen musikalischen Teilen vom calvinistischen unterschied. Für Jeanne machte es keinen großen Unterschied. Hauptsache, sie musste
nicht der heiligen Messe beiwohnen, denn die Papisten waren ihr verhasst. Sie hatten ihre Mutter getötet, ihnen ihre Existenz genommen und sie genötigt, in diesem abgelegenen Landstrich Zuflucht zu suchen.
    Jeanne betete, wie sie es gelernt hatte, sie wiederholte Worte wie Formeln, weil man es von ihr erwartete. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie oft über ihren Glauben nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass er ihr keinen Trost schenkte. Den fand sie allein in der Musik. Wenn sie mit geschlossenen Augen spielte, stellte sie sich vor, dass ihre Mutter ihr gegenübersaß, mit leicht geneigtem Kopf, das kupferfarbene Haar offen über die Schultern fallend, versunken in die Schönheit der Melodie, die sie ihrer Laute entlockte. Oft hatten sie zusammen gespielt, und ihr Vater hatte ihnen durch die stets offene Werkstatttür zugehört.
    Ihre Mutter, die belesene Christine de Bergier, hatte ihr die Madrigale von Pisano, Verdelot und Arcadelt nahegebracht, sie an die von Adrian Willaert durchgesetzte Fünfstimmigkeit chromatischer Madrigale herangeführt und Werke von Palestrina und Cyprian de Rore mit ihr gespielt. Seufzend dachte Jeanne, dass Luther die Macht der Musik erkannt und für seine Liturgie genutzt hatte. Wenn Gott existierte, dann in der Musik. Verträumt sah sie wieder nach vorn und erschrak, als Franz sie anstarrte. In seinem Blick lagen weder Reue noch Demut, sondern Verschlagenheit und Berechnung. Sie verstärkte den Griff um den Lautenhals und suchte die Aufmerksamkeit ihres Vaters, doch der war in seine Gedanken versunken.
    Nach dem Gottesdienst standen die Leute aus Mulda und Umgebung vor dem Eingang des schlichten, erst kürzlich erbauten Gotteshauses und tauschten Klatsch und Tratsch aus. Es war eine heilige Pflicht, den Sonntagsgottesdienst zu besuchen, aber Jeanne war davon überzeugt, dass die Landbevölkerung sich diese Gelegenheit schon aus Neugierde nicht entgehen lassen würde.
Sie stand an der Seite ihres Vaters, die Arme um ihre Laute geschlagen, die Kapuze des Umhangs halb über die sorgfältig frisierten Haare gelegt. Ihre Kleider waren nicht nach der neuesten Mode, und in Frankreich hätte sie sich ohne Änderungen nicht mehr damit auf die Straße gewagt, doch hier wirkte selbst ihr schlichtes Reisekleid noch elegant.
    Thomas unterhielt sich mit einem Apotheker, dessen Namen sie nicht aussprechen konnte.
    »Vielleicht erinnert Ihr Euch an meinen Ziehsohn, Endres?«
    Bevor der Apotheker, ein älterer Mann von kleinem Wuchs mit milden Zügen, die zum Großteil von einem buschigen weißen Bart verdeckt wurden, sich äußern konnte, deutete Endres eine Verbeugung an und sagte: »Apothekermeister Johann Zobeltitz, es freut mich sehr, Euch nach so vielen Jahren wohlauf und kaum verändert zu finden.«
    »Schmeichler!«, lächelte Zobeltitz und zupfte an seinem Bart. »Der ist inzwischen weiß geworden, und Pillen drehe ich nun auch für meine eigenen Zipperlein. Ich würde lügen, wenn ich leugnete, dass bereits diverse Gerüchte über Euch und Eure schöne Tochter kursieren. Ich habe einen Sohn im heiratsfähigen Alter.«
    Jeanne zuckte zusammen.
    »Gerüchte welcher Art?«, fragte Endres und legte eine Hand auf die Schulter von Jeanne, die in die Betrachtung der kleinen Häuser aus dunklem Stein und Holz versunken schien.
    »Dies und das. Was das Volk sich so zusammenreimt an langen Winterabenden bei zu viel Bier und Sauerkraut.« Der Apotheker lachte trocken und sah sich um, denn seine Kunden wollte er nicht vor den Kopf stoßen. Dann streckte er den Arm aus und winkte einen jungen Mann herbei. »Zacharias, mein Junge.«
    Der als heiratsfähig Angepriesene reichte Jeanne gerade bis zur Schulter, hatte eine zierliche

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