Die Lautenspielerin - Roman
Figur, ein ansprechendes Gesicht mit wachen hellblauen Augen und die Freundlichkeit seines Vaters.
Seine Kleidung, die guten Lederstiefel und der Pelzkragen an seinem Wams verrieten Zobeltitz’ florierendes Gewerbe. Unter den interessierten Augen des Apothekersohns schlug Jeanne die Augen nieder.
»Er lernt bei mir, ist aber auf die Lateinschule und zwei Jahre auf die Universität in Leipzig gegangen.« Voll väterlichem Stolz klopfte Zobeltitz seinem Sohn auf die Schulter.
Franz hatte sich in eine Ecke der Kirchhofsmauer verdrückt und schwätzte dort mit einem hübschen Mädchen. Ihre Lippen jedoch waren zu rot, das Mieder zu eng geschnürt und die Haltung zu kokett für ein anständiges Frauenzimmer. Jetzt ließ er die Brünette stehen und kam zu ihnen, was von seinem Großvater mit einem missbilligenden Schnauben quittiert wurde. »Reicht der Verweis nicht? Musst du dich trotzdem mit den Dirnen herumtreiben? Die Familienehre ziehst du in den Schmutz!«, zischte der Patriarch der Familie Froehner.
Zacharias, einen Kopf kleiner als Franz, was ihn nicht daran hinderte, sich in Positur zu stellen, meinte abfällig: »Wer zu den Badehaushuren geht, soll sich nicht wundern, wenn er den Morbus gallicus drauf bekommt.«
»Musst schon Gift spucken, um zu beeindrucken, du Zwerg!«, erwiderte Franz bissig und ballte die Fäuste.
»Genug! Zacharias, wir müssen gehen. Werter Thomas, kommt doch am übernächsten Sonntag mit Endres und Jeanne nach der Predigt zu uns. Dann tischt meine Gattin ein bescheidenes Mahl auf, und Ihr habt Gelegenheit, die Gerüchte zu widerlegen und uns ein wenig über das herrliche Frankreich zu erzählen.« Mit dieser Einladung verabschiedete sich der Apotheker mit seinem Sohn und schritt erhobenen Hauptes davon. Sein schwarzer Mantel bauschte sich im Wind, und Jeanne fand, dass er keineswegs zwergenhaft wirkte.
Auf dem Rückweg saß sie in einem engen Wagen neben ihrem Vater, gegenüber von Thomas und Franz. Agathe war zu Hause geblieben und bereitete das Sonntagsessen vor, das sich in erfreulichem Maße von der kargen Alltagskost unterschied. Das Gesinde wechselte sich mit den Kirchgängen ab und fuhr, wenn genügend Platz war, auf Friedgers Ochsenkarren mit. »Was ist mit meinen Eltern? Warum sind die nicht mitgekommen?«, fragte Franz mürrisch.
»Interessiert dich doch nicht für einen Groschen! Was lassen sie dich in Mulda, wenn du doch nur Unfug anstellst? Woher hast du überhaupt das Geld fürs Saufen und die Dirnen?«, fuhr Thomas ihn an. Er atmete schwer.
Jeanne tat der alte Mann leid, der sich nach Kräften bemühte, die Familie zusammenzuhalten, und mit ansehen musste, wie sein Enkel den Namen in den Schmutz zog.
»Von Vater«, brummte Franz.
Der alte Instrumentenmacher schlug Franz mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. »Lüg nicht! Ulmann würde dir dafür niemals Geld geben! Woher?«
Wütend starrte Franz seinen Großvater an. »Ich hab’s beim Würfelspiel gewonnen. Das kann ich, und dazu braucht man einen schnellen Verstand …«
Wieder ein Schlag. »Halt den Mund! Verstand! Dass ich nicht lache …«, schimpfte Thomas.
Der Wagen ratterte über die unebenen Wege. Durch das offene Fenster sah Jeanne auf die triste Landschaft, deren graugrüne Hügel nicht länger unter Schnee verborgen lagen. Regen und Hagel brachten Schlamm und machten die Kleidung klamm, dass sie schwer wurde und es lange dauerte, bis man sich am Ofen wieder aufgewärmt und getrocknet hatte.
»Die Dirne auf dem Kirchhof, das war doch die Tochter vom Pindus, nicht wahr?«, setzte Thomas sein Verhör fort.
»Und was geht das jetzt dich an?«, blaffte Franz zurück.
»Ich verbiete dir den Umgang mit dem Gesindel! Schlimm genug, dass du zu den Dirnen gehst. Tut mir leid, Jeanne, dass du das mit anhören musst, aber ich will es jetzt klären und dann kein Wort mehr darüber verlieren.«
Jeanne nickte stumm, ohne den Blick vom Fenster zu wenden.
»Hör mir gut zu, Franz. Kein Würfelspiel mehr, keine Ausflüge ins Wirtshaus und dergleichen. Mein ganzes Leben bin ich stolz auf meinen Namen und den Ruf gewesen, den wir uns bis rauf nach Freiberg und weiter erworben haben. Und du wirst nicht alles ruinieren!« Er packte Franz am Unterarm und schüttelte ihn. »Wir sind ehrliche, hart arbeitende Leute, die sich für nichts zu schämen brauchen. Gottgefällig leben wir, und das soll auch so bleiben. Noch ein Fehltritt, und du verlässt mein Haus!«
Mit vor Wut schmalen Lippen und stierem Blick hörte
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