Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
er sich mit Chemie und Alchemie. Er gehört nun zu den kurfürstlichen Leibärzten und steckt die meiste Zeit im Laboratorium.« Die Hofdame schüttelte missbilligend den Kopf. »Das schürt nur Gerede …«
    Am Brunnen warteten ihr Vater und Cosmè neben einer sauertöpfischen Gräfin Eulenburg. »Ich empfehle mich«, war ihr knapper Abschiedsgruß, bevor sie mit erhobenem Haupt in den Laubengang entschwand.
    Erika von Gessnitz hatte den Botenjungen zu sich gewinkt. »Bring sie zurück zum Tor. Ihr habt Eure Instruktionen?« Die Frage galt ihnen allen dreien.
    Cosmè antwortete: »Jawohl. Der Reisewagen steht vor dem Tor, und wir sind quasi schon auf dem Weg nach Paris, um …«
    Die Freiin schnitt ihm das Wort ab: »Dann wünsche ich eine angenehme Reise. Gott zum Gruße.«
    Es war nicht zu übersehen, dass sie so schnell wie möglich abgeschoben werden sollten, doch verurteilen mochte sie niemand dafür. Sie hatten großes Glück gehabt, und Jeanne würde das Gespräch
mit der Kurfürstin nie vergessen. Die Frau war klug und großherzig und trug ihr Schicksal mit bewundernswerter Würde. Doch Jeanne fragte sich, ob sie selbst die Rolle der demütigen Ehefrau genauso vorbildhaft ausfüllen könnte wie die Kurfürstin. Ihr Blick fiel auf den zwanzig Jahre älteren Kaufmann, und die aufkeimenden Zweifel schnürten ihr den Magen zusammen.

14
    Die Schussverletzung an der Schulter verheilte gut. Als langwieriger hatte sich sein Sturz vom Pferd erwiesen, denn sobald er aufzustehen versuchte, überkamen ihn Schwindel und Brechreiz. So hatte sich Gerwin widerstrebend mit seiner Patientenrolle abgefunden. Nur sein schwacher Körper hielt ihn davon ab, selbst nach Dresden zu reiten, um nach Jeannes Schicksal zu fragen und, wenn möglich, beim Kurfürsten für sie zu bitten. Seraphin hatte ihm mehrfach versprochen, das für ihn zu übernehmen, ihm jedoch wenig Hoffnung gemacht.
    Um sich abzulenken, las er Bücher, die Hippolyt für ihn ausgewählt hatte. Jerg von Rechberg verfügte zwar nicht über die vollständige Ausgabe von Michel Servets »Christianismi Restitutio«, doch gab es ein Bändchen mit Auszügen. Hippolyt hatte ihm das Kapitel über die Blutzirkulation ans Herz gelegt, denn dazu hatte der berühmte Arzt, der auf dem Scheiterhaufen hatte sterben müssen, Studien betrieben, welche die herkömmlichen Theorien, die zum Teil abenteuerlich waren, widerlegten.
    Gerwin lag halb angekleidet auf seinem Bett und betrachtete die anatomische Zeichnung des Herzens in Servets Traktat. Oft genug hatte sich Gerwin gefragt, wie der Blutfluss geleitet wurde. Warum sackte das Blut nicht in die Füße, wenn der Mensch sich erhob? Und hier hatte er die Antwort! Es gab Schleusen im Herzen, und das Herz bewegte das Blut! Dieser Gedanke war zuerst
unbegreiflich, doch wenn man es durchdachte, ergab es Sinn. Aristoteles hatte behauptet, dass die Lungen das Blut im Falle von Überhitzung wie Blasebälge kühlten, bevor es zum Herzen zurückfloss. Daran hielten noch immer viele Doktoren fest. Doch Servet schrieb, dass die Lungen das Blut von schlechten Säften reinigten, und das Herz selbst bewegte das Blut durch seine Anziehungskraft hin und her. Es war ein Kreislauf, und das Blut war der Schlüssel zum Leben. Es durchströmte den Körper von oben nach unten, und beim Luftholen wurde es aus den Lungen herausgelassen, damit es weiterfließen konnte.
    Hippolyt hatte betont, dass wegen dieses Kreislaufs das Aderlassen öfter von Schaden denn von Nutzen war. Nur bei sehr hohem Fieber sollte der Kranke zur Ader gelassen werden, denn das Blut musste rein bleiben und sollte nicht durch giftige Substanzen verdorben werden.
    »Das Herz bewegt das Blut«, flüsterte Gerwin und konnte nicht verstehen, wie Calvin einen so großen Gelehrten auf den Scheiterhaufen hatte bringen können. Servet hatte das Geheimnis der Heiligen Dreifaltigkeit angezweifelt, was ein schwerwiegendes Vergehen war, denn die Heilige Dreifaltigkeit war eine unumstößliche Wahrheit, gegründet auf heilige Texte. Gerwin knetete die Unterlippe. Was für eine Welt war das, in der Männer, welche die Medizin revolutionierten, verbrannt wurden, weil sie etwas in Frage stellten, das niemand beweisen konnte?
    Ein vorsichtiges Klopfen an der Tür durchbrach seinen trüben Gedankengang. »Ja, bitte!«
    Die hübsche junge Magd Hilda mochte Gerwin, weil sie immer lächelte und einen entzückenden runden Busen hatte, der sich unter dem dünnen Stoff ihres Unterkleids abzeichnete. Ihre

Weitere Kostenlose Bücher