Die Lautenspielerin - Roman
patrouillierende Soldaten war die Straße leer.
»Kannst du gehen, Jeanne? Es ist nicht weit, nur bis zur Sophienkirche«, sagte ihr Vater.
»Was ist mit dem Wirtshaus?«, fragte sie verwirrt und stützte sich dankbar auf Endres’ Arm.
»Ihr musstet es verlassen. Es wäre nicht sicher genug. Der Wirt wurde schon misstrauisch und wollte Geld dafür, dass er Eure Sachen vor den gierigen Gästen beschützte«, erklärte Cosmè.
»Dabei war es wohl eher er selbst, der uns bestohlen hätte. Wir sind in Monsieur Paullets Quartier untergebracht.«
»Mein zukünftiger Ehemann …«, bemerkte Jeanne sarkastisch.
»Ist die Vorstellung, mich zu ehelichen, denn gar so fürchterlich?« Cosmè ergriff ihre Hand. »Ich werde alles tun, um Euch glücklich zu machen. Paris ist eine großartige Stadt, und es wird Euch dort gefallen. Ihr werdet an Katharinas Hof spielen, Euer Vater wird seine Instrumente bauen und mehr Kunden finden, als er sich erträumen kann.«
»Im Moment möchte ich nur baden. Mein Kopf juckt, als hätte sich dort eine Million Läuse niedergelassen, und dieses Kleid stinkt so entsetzlich, dass man es nur noch verbrennen kann«,
sagte Jeanne und entzog dem Franzosen ihre Hand. »Vater, meine Laute?«
»In Sicherheit, Jeanne.«
Das Haus der Kaufmannsfamilie Koester, in dem Cosmè logierte, war zweistöckig, hatte eine frisch verputzte Fassade und stand gegenüber der Kirche. Zu erschöpft, um das reiche Dekorum oder die emsig um sie bemühten Dienerinnen zu beachten, fasste Jeanne ihren ersten klaren Gedanken, als sie gewaschen in einem flauschigen Bett lag. Auf dem Nachtschrank stand ein Kerzenleuchter, dessen Flamme flackerte, als ihr Vater zu ihr kam und sich einen Stuhl an das Bett zog.
»Ich hätte dich nicht gestört, wenn wir nicht einige wichtige Dinge vor dem morgigen Tag besprechen müssten«, leitete er das Gespräch ein, das ihm unangenehm zu sein schien.
»Die Denunziation. Ich denke, es war Afra. Und der Reitknecht aus Dörnthal, der damals in Helwigsdorff nach dem Wundarzt gesucht hat, hat mich erkannt und angezeigt.« Jeanne zog sich die Decke bis unter das Kinn und schnupperte an dem frischen Leinenzeug.
»Möglich. Obwohl ich Afra das nicht zugetraut hätte, aber du magst recht haben. Nur, ganz gleich, wer es war, eine Denunziation ist eine schwerwiegende Anklage und für Fremde ohne Leumund wie uns dreimal so gefährlich. Wer würde schon für uns in den Zeugenstand treten?« Endres wartete und fuhr fort, als Jeanne schwieg. »Cosmè hat seine Verbindungen bei Hof und sein Geld für uns eingesetzt, um deine Freilassung zu erwirken. Wir sind ihm verpflichtet.«
»Ich bin so müde.«
» Mignonne , wir verlassen die Stadt morgen früh zusammen mit Cosmè. Sobald wir die Saale überquert haben, will er sich mit dir vermählen.«
Sie schloss die Augen und wandte sich ab.
»Ich wollte es dir sagen, damit du dich darauf einstellen kannst.«
»Sehr freundlich.«
» Mignonne , mach es mir doch nicht noch schwerer. Früher als später hättest du heiraten müssen, und Cosmè ist ein freundlicher und fürsorglicher Mann. Ich bin so glücklich, dass sie dich aus dem Kerker entlassen haben, nicht vorstellbar, wenn ich dich verloren hätte …«
Jeanne weinte und verbarg das Gesicht in der Decke. »Ich möchte schlafen.«
Endres streichelte ihr über das Haar, drückte ihr einen Kuss auf das Haupt und verließ sie. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, schluchzte Jeanne bitterlich. Würde es immer so sein, dass sie für jedes Quäntchen Glück einen schmerzlichen Preis bezahlen musste? Vielleicht war es tatsächlich besser, sich im Erträglichen einzurichten und auf nichts mehr zu hoffen. Sie wischte sich über die Augen, und ihr Blick fiel auf ihre Laute, die auf einem Stuhl gegenüber ihrem Bett stand. Nein, es gab so viel, für das es sich zu leben lohnte, und es war nun an ihr, Stärke zu zeigen. Ihr Vater sollte sich ihrer nicht schämen müssen. Das hatte er nicht verdient.
Als sie nach wenigen Stunden tiefen Schlafes erwachte, fühlten sich ihre Glieder bleiern an, gleichwohl zwang sie sich eine freundliche Miene auf, als sie in ein schlichtes Reisekleid gewandet in der Halle des Koesterhauses erschien. Die geringe Habe von ihr und ihrem Vater stand bereits an der Eingangstür, doch sie ließ es sich nicht nehmen, ihre Laute zu tragen.
»Guten Morgen, verehrte Jeanne«, begrüßte Cosmè sie strahlend. »Ich hoffe, dass Ihr Euch erholt habt von den Misslichkeiten der
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