Die Lautenspielerin - Roman
Haft.«
»Danke, Monsieur«, sagte Jeanne kurz und wartete mit ihrer Laute im Arm darauf, dass die Tür geöffnet wurde, damit sie sich auf den Weg zum Garten der Kurfürstin machen konnten.
Der von Cosmè bestellte Reisewagen erwies sich als bequemes Gefährt, und Jeanne sank in die weichen Polster, ohne auf die
vorüberziehende Stadt, die gerade erst erwachte, zu achten. Als die Kirchenglocken die achte Stunde läuteten, brachte der Kutscher die vier Pferde vor einem hohen schmiedeeisernen Tor zum Stehen. Das kurfürstliche Wappen prangte vergoldet darüber. Vor dem Wachhaus stand ein Soldat, bewaffnet mit Kurzdegen und Hellebarde. Als sie ihr Anliegen vortrugen, hieß er sie eintreten und auf der anderen Seite warten. Dann schickte er einen livrierten Burschen fort, sie anzumelden.
Das Gras, die exakt geschnittenen Hecken und die Blätter der sprießenden Bäume glänzten feucht. Jeanne zog ihren wollenen Umhang - der einzige, der ihr geblieben war - um die Schultern und bewunderte die geometrisch angelegten Wege, die sich vor ihr erstreckten. Wenn die Sonne an Kraft zunahm, würden die Blumenbeete ihre Farbenpracht zeigen, dachte Jeanne.
Ein Gärtner kam mit einer Schaufel und einem Korb voller Stecklinge über einen der schmalen Zierwege auf sie zu. Endres grüßte ihn freundlich, und der junge Mann blieb stehen und lüftete seinen Hut. »Gott zum Gruße! Schaut Euch nur um, Herrschaften. Dieses Kleinod der Gartenkunst sucht seinesgleichen in Sachsen!«
»Ihr leistet gute Arbeit. Sagt, was wird in den Parterrebeeten angepflanzt? Blumen?«, erkundigte sich Endres höflich.
Erfreut antwortete der Gärtner: »Viel mehr als das. Wir ziehen Duft-, Gewürz- und Heilpflanzen, Mandel-, Pomeranzen- und Morillenbäume, Wacholder und Rhapontica und sogar Tabak!«
Cosmè rümpfte die Nase. »Ein widerliches Kraut!«
»Aber es hat zahlreiche Liebhaber gefunden und soll über Heilkräfte verfügen. Seit einiger Zeit versuchen wir es mit Mispeln und Quitten, es wird sich zeigen, inwieweit diese Kulturen hier gedeihen. Unsere durchlauchtigste Kurfürstin kennt sich in der Botanik besser aus als mancher so genannte Gelehrte!« Der Gärtnerbursche stützte sich stolz auf seine Schaufel.
Der Botenjunge kehrte zurück und sagte außer Atem: »Ihre
Königliche Hoheit wird Euch jetzt am Brunnen der Flora empfangen! Hier entlang!«
Hintereinander marschierte die kleine Gruppe über die sauber geharkten Wege, überwand einen geringen Höhenunterschied der terrassenförmig angeordneten Zierbeete, von denen einige in Steine gefasst, andere durch wellig geschnittene Hecken abgegrenzt waren, kam an Broderien aus Buchs vorüber und hielt vor einem zierlichen, pyramidenförmigen Brunnenaufbau aus Felsgestein mit kleinen Koniferen und Steingewächsen. Das Brunnenbecken hatte die Form eines Geigenkastens, wie Jeanne gerade entzückt bemerkte, als sie aus dem Torbogen eines Laubengangs Stimmen hörte.
Der Botenjunge machte eine so tiefe Verbeugung, dass seine Haare den Boden berührten. Jeanne versank in einen Hofknicks, und ihr Vater und Cosmè verneigten sich, denn Anna von Sachsen erschien mit zwei ihrer Hofdamen.
»Ist sie das?«, hörte Jeanne die Kurfürstin fragen.
Erika von Gessnitz, die Hofdame in Taubengrau, reckte die spitze Nase und nickte. »Ja, Hoheit, das ist sie. In ihrer Begleitung sind ihr Vater und der französische Kaufmann, der sie ehelichen und mit nach Paris nehmen wird.«
»Ah, sehr schön. Sie möge sich erheben.«
Langsam hob Jeanne den Blick und sah sich der blendenden Erscheinung der aus Dänemark stammenden Kurfürstin gegenüber. Von den Musikern hatte Jeanne erfahren, dass Landesmutter Anna im Oktober vergangenen Jahres einen Jungen zur Welt gebracht hatte, der in diesem Februar verstorben war. Die Kurfürstin hatte bereits sieben Kinder zu Grabe tragen müssen und legte vor jeder Geburt die Leichentücher bereit. Eine starke und praktisch veranlagte Frau, die Jeannes Verehrung fand. »Eure Königliche Hoheit«, murmelte sie. »Ich danke Euch für Eure Gnade und bin auf ewig Eure treue Dienerin.«
»Dienerinnen habe ich genug. Ich habe Euch bei Hofe spielen
hören. Ihr seid eine Meisterin Eures Instruments, und vor außergewöhnlichem Talent habe ich Respekt.« Anna von Sachsen war von einer herben nordischen Schönheit. Ihre leuchtend rotblonden Haare kräuselten sich unter einem reich bestickten Barett, ihr Kleid aus hellblauem Brokat war hochgeschlossen und hatte nach der spanischen Mode einen
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