Die Lautenspielerin - Roman
gesagt?«
Es begann zu regnen, und die Männer zogen sich die Kapuzen ihrer gewachsten Umhänge über die Köpfe. Der Himmel war grau, es versprach, ein langer, kalter Ritt zu werden.
»Warum erfahre ich die wichtigen Dinge immer erst später oder überhaupt nicht? Vertraust du mir nicht? Dann sollte ich vielleicht allein meines Weges ziehen«, beschwerte sich Gerwin.
»Sei nicht albern. Wir haben das besprochen, nachdem du dich hingelegt hattest. Frag mich, was du wissen willst, Gerwin.«
»Jerg wird von einem Fieber geplagt, das er allem Anschein nach schon lange hat. Ich habe noch nie von einem über lange Zeit wiederkehrenden Fieber gehört, und du scheinst es zu kennen. Was hat es damit auf sich?«
Hippolyt wischte sich den Regen aus den Augen. Die Pferdehufe sanken mehr und mehr in den sandigen Untergrund ein,
denn der Weg war nur teilweise befestigt. »Nachdem wir 1534 das Kloster verlassen hatten, trennten sich unsere Wege. Jeder von uns musste mit sich und dem, was geschehen war, ins Reine kommen. Und ich weiß genau, welche Frage dir auf den Lippen brennt, aber dazu komme ich ein anderes Mal.«
Gerwin nickte und drängte sein Pferd dichter an das Hippolyts, damit er ihn besser verstehen konnte.
»Ich hatte mich schon im Kloster für den Beruf des Heilers entschieden und schloss mich einem kauzigen Wanderchirurgen an. Großartig in seinem Fach, aber furchtbar cholerisch. Der alte Kauz war mit dem berühmten Paracelsus bekannt und hat mich die orale Therapie mit anorganischen Substanzen gelehrt. Doch diese wird sofort mit der Alchemie in Verbindung gebracht, weshalb wir es vermeiden, sie öffentlich zu praktizieren.
Nun, du wolltest wissen, wo Jerg sich das Fieber zugezogen hat. Es muss Anfang der vierziger Jahre gewesen sein, die Türken bedrängten die Grenzen des Habsburger Reiches. Wir Brüder haben über die Jahre immer losen Kontakt gehalten, und wenn einer in ernsthaften Schwierigkeiten steckte, konnte er sich auf die anderen verlassen. Walter war damals auf dem Weg in die Neue Welt. Was er an der Seefahrt findet, ist mir noch heute schleierhaft. Ich hasse Schiffe. Hinrik und Jerg kämpften gemeinsam im kaiserlichen Heer an der ungarischen Grenze und gerieten in türkische Gefangenschaft. Als ich davon hörte, bin ich ihnen gefolgt, was sich sehr viel einfacher anhört, als es war.
Ich war zu der Zeit Feldscher und gebe zu, dass mir viel zu viele arme Seelen unter dem Messer gestorben sind. Das Schlachtfeld ist ein grauenvoller Ort, Gerwin, und wahrscheinlich wirst du bald Gelegenheit haben, dich dort zu bewähren. Von Ungarn zog ich durch Rumelien. Dort wurde ich mit Mehmed Pascha Sokollu, dem späteren Beylerbey, bekannt. Was er für ein Geschwür unter der Achsel gehalten hatte, war der verkapselte Rest einer Pistolenkugel. Der Einschuss war in Hüfthöhe erfolgt, doch ich
habe schon oft erlebt, dass Splitter oder abgebrochene Klingen im menschlichen Körper wandern. Nun, Mehmed Pascha war mir nach erfolgreicher Behandlung sehr dankbar, und wir wurden Freunde. Diese Begegnung war für mich in vielerlei Hinsicht von großer Bedeutung. Als wir uns kennenlernten, war Mehmed Pascha bereits auf dem besten Wege, erster Wesir des damaligen Sultans des Osmanischen Reiches, Suleiman, zu werden. Ein gelehrter und höchst intelligenter Mann, dieser Mehmed Pascha. Noch unter Suleiman hat er es zum Großwesir gebracht und diese Position auch unter dessen Sohn Selim behaupten können. Ach, was für ein Elend ist dieser Nachfolger des großen Suleiman! Selim ist ein nichtsnutziger Wüstling, ein Säufer, aber ich schweife ab.
Mehmed Pascha empfahl mich einer Truppe seiner Janitscharen, mit denen ich nach Adrianopel reiste. Im Gefolge eines dortigen Kaufmanns gelangte ich nach Konstantinopel, wo ich Jerg und Hinrik unter den Gefangenen wusste, die man dorthin verschleppt hatte. Die Fronten zwischen Suleiman und Kaiser Karl waren verhärtet, und die Gefangenen dienten als Unterpfand für Verträge. Sie waren für den Sultan wertvoll, dennoch behandelte er sie menschenverachtend, aber welcher Kriegsherr tut das nicht?«
Gerwin versuchte, sich die Welt des osmanischen Herrschers vorzustellen, die er nur aus Erzählungen kannte. »Am Hof in Dresden trugen einige Tänzerinnen türkische Kostüme, und ich habe die prachtvollen Trachten für einen türkischen Aufzug gesehen. Sie haben krumme Säbel und riesige Kopfbedeckungen.«
»Das ist wahr, aber ihre schönen Frauen verstecken sie vor den Augen anderer
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