Die Lautenspielerin - Roman
werde dich beschützen!«, sagte Gerwin, dem der starke Wein zu Kopf stieg.
Seraphin stand mit überkreuzten Beinen am Kaminsims und bedachte ihn mit einem nachsichtigen Lächeln. »Wirklich rührend, aber das wird kein Abenteuer, Gerwin. Ihr werdet in ständiger Gefahr vor einfachem Gesindel, das jedem für einen Taler die Kehle durchschneidet, Wegelagerern und gedungenen Mördern schweben. Die wenigen Fechtstunden, die du bisher hattest, werden dir gegen solches Gezücht kaum helfen. Verschlagenheit und Ehrlosigkeit sind deren Leitsätze.«
»Schon gut«, murrte Gerwin. »Wieso kommt überhaupt Geld von Schönberg?«
»Sein Bruder, Caspar von Schomberg, setzt sich in Frankreich für einen Frieden zwischen Hugenotten und Katholiken ein. Er baut auf die Weissagung des Michel de Nostredame, dass Prinz Heinrich von Navarra dereinst den Thron besteigen wird, auch wenn er in der Thronfolge hinter Alençon und Anjou steht. Michel de Nostredame war kein Scharlatan, und selbst Königinmutter Katharina nimmt diese Prophezeiung ernst.« Jerg fröstelte. »Caspar wird mit einem gewissen Argwohn betrachtet, weil er sich während des Türkenzugs vor drei Jahren mit Henri de Guise angefreundet hat. Doch ich baue auf ihn. Er ist weitsichtig und kann eine Aussöhnung zwischen den Fronten voranbringen. Himmel, eine Versöhnung muss doch möglich sein!« Der Freiherr zitterte, und seine Zähne schlugen aufeinander.
Fürsorglich legte Seraphin ihm ein Schaffell um die Schultern. »Ihr solltet Euch zu Bett begeben, bevor das Fieber Euch zu sehr schwächt.«
»Schlafen und ruhen kann ich, wenn ich tot bin. Gieß mir Wein ein und hol mir die Pfeife«, befahl der Freiherr ungehalten.
»Wann hattest du den letzten Anfall?«, fragte Hippolyt, während Seraphin den Wünschen seines Herrn nachkam und einen Beutel nebst einem seltsamen Gegenstand, der aus einem Röhrchen und einem runden Kopf bestand, holte und damit hantierte.
»Vor drei Monaten. Sie kommen öfter und dauern länger, aber ich werde auch nicht jünger.« Jerg verzog den Mund und beobachtete Seraphin, der trockenes, zerstoßenes Kraut in den Kopf der Pfeife stopfte. »Zerbrich dir meinetwegen nicht den Kopf, Hippolyt. Es gibt nichts, was man dagegen tun kann. Ich lebe schon lange damit, länger als die meisten.«
Mit einem glühenden Span entzündete Seraphin den Tabak und zog an dem Rohr, bis es aus dem Pfeifenkopf dampfte und ein aromatischer Geruch durch den Raum strömte. Dann reichte Seraphin die Pfeife seinem Herrn.
»Danke. Hol die Laute und spiel für uns, Seraphin. Ab morgen sind wir wieder allein.«
Die freudige Aufbruchsstimmung wich der Wehmut des Abschieds und der Ungewissheit, die jede Reise begleitet. Wer konnte sagen, was geschehen würde, wer wusste, ob sie einander wiedersahen? Noch als Gerwin in seinem Bett lag, hatte er das malerische Bild vor Augen, in dem der schöne Seraphin zu Füßen seines geliebten Herrn die Laute zupfte, während die Scheite im Kamin langsam verglühten und Hippolyt nachdenklich mit vor dem Bauch verschränkten Armen in seinem Lehnstuhl saß und in die Glut starrte. Bei aller Wehmut überwog jedoch die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Jeanne, denn er konnte nicht glauben, dass das Schicksal sie auf immer getrennt haben sollte.
Am nächsten Morgen verließen sie das Gut nach kurzem, herzlichem Abschied von Freiherr Jerg und Seraphin in Richtung Westen.
Jerg hatte ihnen robuste Reittiere gegeben. Bis sie eine größere Reisegruppe fanden, der sie sich anschließen konnten, wurden sie von vier bis an die Zähne bewaffneten Knechten begleitet. Gerwin und Hippolyt führten jeder ein Packpferd mit sich, welches jeweils die Hälfte des für die Hugenotten bestimmten Geldes trug. Da es sich um Goldmünzen handelte, war der Umfang der Säcke nicht so immens, als wenn die Summe in Form von Silbermünzen gezahlt worden wäre.
Sie ritten zu zweit nebeneinander über ein offenes Feld. »Hätte man die Münzen nicht in Edelsteine umtauschen können? Die lassen sich besser verstecken und sind nicht so schwer«, sprach Gerwin seinen Gedanken laut aus.
Hippolyt grinste. »Du denkst gut mit, Junge. Genau das ist unser Plan. Unsere Beschützer begleiten uns bis Gera oder Erfurt, wo wir hoffentlich eine Reisegruppe finden, und bei einem jüdischen Goldschmied werden wir den Tausch vornehmen.«
»Ah!« Mehr sagte Gerwin nicht darauf. Schweigend und mit düsterer Miene ritt er weiter.
»Was ist los? Habe ich etwas Falsches
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