Die Lava
und vornan auf allen Straßen bautest du deine Altäre und machtest deine Schönheit zu eitel Gräuel; du spreiztest deine Beine für alle, die zufällig vorübergingen, und du triebst große Hurerei. Zuerst triebst du deine Hurerei mit den Kindern Ägyptens, deinen Nachbarn, die großes Fleisch hatten, und du triebst große Hurerei, mich zu reizen. Ich aber streckte meine Hand aus wider dich und brach dir an deiner Nahrung ab und übergab dich in den Willen deiner Feinde, der Töchter der Philister, welche sich schämten vor deinem verruchten Wesen. Darnach triebst du Hurerei mit den Kindern Assur und konntest daran nicht satt werden; ja, da du mit ihnen Hurerei getrieben hattest und daran nicht satt werden konntest, machtest du der Hurerei noch mehr bis hinein ins Krämerland Chaldäa; doch konntest du auch damit nicht satt werden.
Das schrieb der biblische Prophet Hesekiel in dem sechzehnten Kapitel seines Buches. Hesekiel befand sich damalsim Exil, fernab seiner Heimat. Er hatte alles verloren und war wütend.
Es stimmte: Die Wissenschaftler waren Huren der Krämer. Die Ingenieure waren Huren. Die Techniker waren Huren. Die Militärs hielten sich Huren.
Und auch er war eine Hure.
Der See lag vor ihm wie das klare, blaue Auge Gottes, unschuldig; die Tausende von funkelnden Miniatursonnen, die auf seiner Oberfläche schwammen, blickten himmelwärts.
Wie eine aufgerollte tiefblaue Leinwand breitete sich hinter dem niedrigen Höhenzug, der das Nord- und Ostufer des Kratersees bildete, der Himmel aus. Auf ihm hafteten kleine weiße Wolkenballen.
Die ersten Busse kamen auf dem Parkplatz an, Schüler auf einem Klassenausflug und eine Gruppe gutgelaunter Rentner stiegen aus. Der Wind trug fröhliches Kinderlachen durch das offene Fenster. Im Klostergarten arbeitete ein Mönch, er pfiff munter vor sich hin, inspizierte seine Rosen und goss sie dann. Der Mönch hielt kurz inne, um einen Singvogel zu betrachten, der auf einem Zweig saß und tirilierte. Ein Zitronenfalter flatterte durch die Luft, von einem zweiten umspielt, sie verschwanden aus seiner Sicht.
Die Welt glich einer Ansichtskarte, einem Landschaftsidyll, friedlich und harmonisch.
Die Welt ist verderbt, schrieb er. Der erste Satz ist wichtig. Die Welt ist verderbt war solch ein erster Satz, der Auftakt seiner Symphonie. Er konnte eine Welt erschaffen, die aus dem Chaos neue Ordnung und neue Schönheit gebären sollte. Und er wollte das. Schon bald.
Die ganze Welt muss deshalb sterben, schrieb er mit einem schönen alten Füllfederhalter in sein Tagebuch, sie soll untergehen. Die Stunde naht.
Die Natur lässt sich nicht vergewaltigen. Die Natur lässt sichnicht auf den Kopf stellen. Die Natur ist nicht dazu da, dem Menschen Untertan zu sein, wenn er Gott spielt. Der Mensch lässt sich vom Bösen verführen, aber die Natur bleibt rein. Mankind is not the salt of the earth, it is the scum of the earth – die Menschen sind nicht das Salz der Erde, sie sind der Abschaum der Erde.
Seine Schrift wurde einen kurzen Augenblick lang fahriger, unkonzentriert. Es gibt Ausgleich überall. Der Mensch ist eine Pest, die die Reinheit der Dinge beschmutzt. Die eine aufs Schönste sich im Gleichgewicht befindende Waage niederdrückt mit roher Gewalt.
Das Wort Gewalt unterstrich er drei Mal. Es waren dicke, feste, bestimmte Striche. Es lag kein Zögern in diesen Strichen. Er war sich sicher. Alles musste so sein.
Am siebten Tag betrachtete Gott seine Schöpfung, und Er sah, dass sie gut war, schrieb er weiter. Er seufzte. Man musste kein gläubiger Mensch sein, um das zu erkennen. Er selbst war nicht gläubig. Er war Atheist. Aber die Metapher stimmte. Und es fiel ein lodernder Stern, der brennt wie eine Fackel, vom Himmel in das Wasser, in die Seen und auf die Quellen des Wassers – hier war es nicht schwer, an ein abstürzendes Flugzeug zu denken –, und das Wasser wurde zu Gift und die Menschen starben von dem Wasser, weil das Wasser giftig geworden war.
Die Schrift stand gerade, wie Soldaten einer Kompanie, zum geordneten Abmarsch bereit, auf dem Weg zu einer Schlacht. Einer Schlacht, die Geschichte schreiben sollte.
Als Gott die Flut schickte, die alles und jeden ersäufte, Mensch wie Tier, da gab es einen Gerechten, den er verschonte. Den er errettete. Dieses Mal wird es keinen Gerechten geben. Es darf keinen Gerechten geben. Die Männer, die ich beauftragt habe, müssen das Gift nur finden, fügte er schließlich noch hinzu.
Er lehnte sich zurück und las
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