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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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oder jemand sagt: Du isst aber den armen Tieren das Essen weg.«
    Franziska starrte ihn irritiert an. Verdammt! Dass ich so etwas sage!
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte Hutter sie, »ich bin es gewohnt, in einer Welt von Fleischfressern zu leben. Ich bin auch kein Moralapostel. Essen Sie einfach, was Sie wollen, und ich erfreue mich an meinem Salat.«
    »Fisch essen Sie doch?«, fragte der Kellner, der seine letzten Worte mitbekommen hatte. Er wirkte leicht überheblich.
    »Haben Sie einen Fisch, der an Bäumen wächst oder Wurzeln hat?« Joe schüttelte den Kopf. Schließlich bestellte er ein Blumenkohl-Käse-Medaillon. Vermutlich kam das direkt aus der Tiefkühltruhe. Der Kellner eilte davon.
    »Ich esse lieber den armen Tieren ihr Futter weg«, erklärte Joe Hutter, zu Franziska gewandt. »Sorry, aber als Vegetarier ist man den Leuten wirklich hilflos ausgeliefert.«
    »Sie wussten sich schon zu wehren«, meinte Franziska und grinste.
    »Ja, als Schotten werden wir mit der Streitaxt in der Hand geboren.«
    »Wirklich?«
    »Wenn das Ungeheuer von Loch Ness dein Haustier ist, musst du schon bewaffnet sein«, erklärte Joe mit todernster Mine.
    Franziska lachte lauthals. Natürlich war der Mann viel zu nett, um brutal zu sein. Sie mochte seinen Witz. »Wie ein Bürohengst wirken Sie aber nicht gerade.«
    Joe blickte auf seine Hände – breite Hände, Arbeiterhände. Sie verrieten noch den Vater, die Herkunft.
    Franziska versuchte, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. »Was interessiert Sie denn außer … Vulkanen?«
    Ein rotes Funkeln flackerte über Joes Augen, der Widerschein der Flammen in einem offenen Kamin. Hutter war, so stellte sich heraus, wie wohl jeder Brite, ein großer Musikfan. Er sprach begeistert über Gruppen, die Franziska nicht einmal vom Hörensagen kannte: XTC, Altered Images, Sonic Youth. Einzig die Pet Shop Boys und die Beatles sagten ihr etwas.
    »Ich mag Coldplay«, sagte Franziska, eine der wenigen englischen Gruppen, die sie kannte.
    Joe kommentierte das nicht. Coldplay war für ihn bloß einfältiges Gewinsel. Es blieb ihm ein Rätsel, warum sich Menschen mit der Musik abgaben, die zufällig im Radio lief, aber er hütete sich, das auszusprechen.
    Franziska bewunderte die Begeisterung, die er selbst für so nebensächliche Dinge aufbrachte wie die Musik, die nebenher im Radio dudelte. Sie merkte, wie sehr Hutter sie faszinierte, was ihr eine gewisse Angst einjagte. Sie wollte nicht wieder von einem Mann verletzt werden, der ihr erst den Kopf verdrehte und sich dann davonmachte.
    Und Hutter liebte Schottland: »Dort atmet alles Geschichte. Noch als ich ein ganz kleines Kind war, zeigte mir mein Vater die überwucherten Steinkreise im Moor und die verfallenen Hütten der Bauern, die nach Amerika vertrieben wurden, als die englischen Grundbesitzer das Land aussaugten.«
    Als Hutter bemerkte, wie viel er redete, forderte er Franziska auf, etwas von sich zu erzählen. Franziska redete über Clara: Wie stolz sie auf ihre Tochter war. Clara war so klug, so aufmerksam – für ihr Alter brachte sie bereits sehr viel Verständnis für die Lage ihrer Mutter auf, die ja so einfach nicht war. Schließlich erzählte Franziska sogar von dem Vater ihrer Tochter, von ihrer Enttäuschung, dass sie sich manchmal überfordert fühlte – und einsam.
    Sie plauderten beide, während sie aßen. Es fühlte sich für Joe gut an, endlich einfach einmal zu reden, über seine Hobbys, Schottland, Pop, Whisky und die Unfähigkeit der Deutschen, guten Tee zu kochen. Er beugte sich zu ihr über den Tisch, um ihr näher zu sein. Hutter berührte sie fast, und sie wich nicht zurück. Es war beinahe, als wären sie alte Bekannte.
    »Darf ich Ihnen noch etwas bringen? Einen Kaffee oder einen Schnaps?«, fragte der Kellner beim Abräumen. Hutter ließ sich die Getränkekarte bringen.
    »Ich trinke nur Glenmoriston«, erklärte er Franziska. »Das ist ein Spleen von mir. Stilisierte Heimatverbundenheit. Der Whisky, den es hier gibt, ist absolut ungenießbar.« Er zwinkerte ihr zu. »Wenn man Whisky oder Tee liebt, ist Deutschland wirklich eine schlechte Adresse.« Glenmoriston war ein Whisky aus seinem Heimatdorf und wurde in der Nähe von Fort William in einer Destillerie hergestellt.
    Joe lächelte verschämt, weil sie ihn für einen Snob halten musste, dann suchte er in seiner Tasche nach etwas.
    »Ich habe eine Kleinigkeit für Ihre Tochter mitgebracht«, meinte er und wirkte dabei etwas

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