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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Magin
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»Niemand hat die Erlaubnis, dich nicht zu mögen. Du hast das Recht, geliebt zu werden.« Sie legte das Bändchen in die Schublade zurück. So war es!
    Es mangelte ihr nicht an Selbstvertrauen, im Gegenteil: Ihre Führungen durch die Vulkaneifel gehörten zu den beliebtesten Touren, die das ScienceCenter anbot. Sie wusste auch, dass sie gut aussah, die oft genug viel zu anzüglichen Blicke der Männer bewiesen es ihr immer wieder. Aber nach der gescheiterten Beziehung zu dem Vater des Kindes, wegen der Tatsache, dass er sie betrogen hatte, und weil manch andereVersuche, einen neuen Partner zu finden, zu schnell und zu drastisch im Chaos geendet waren, blieb ein Unbehagen, ein Zweifel: Geht es denn tatsächlich schon wieder? Sollte ich nicht lieber warten?
    Und nun gefiel ihr dieser Joe Hutter. Das geschah zu schnell, zu unkontrolliert, und wenn sie etwas brauchte in ihrem Leben, dann war das unauffällige, unaufgeregte Selbstkontrolle. Nicht ihretwegen, sondern wegen Clara. Ein Kind fühlt, wenn etwas nicht stimmt.
    Niemand hat die Erlaubnis, mich nicht zu mögen. Ich habe das Recht, geliebt zu werden.
    Sie wollte nie wieder im Stich gelassen werden.
    Aus dem Kinderzimmer drang immer noch »Amazing Grace« herüber. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Batterie leer war.
    Manchmal erschrak sie selbst darüber, wie spießig ihre Träume von der Zukunft mittlerweile waren: ein Eigenheim, weiß gestrichen mit rotem Dach, ein gepflegter Rasen und ein Vorgarten, das Kind im fröhlich tapezierten Kinderzimmer, der Mann, der abends regelmäßig und pünktlich von der Arbeit nach Hause kommt, die Urlaube all inclusive im familienfreundlichen Hotel mit Bar, Pool und Animation in einem beliebten Feriengebiet ohne Vulkane in der Nähe und zu Hause Sonntagsausflüge mit dem Fahrrad und Mann und Kind.
    Noch erschreckender war, dass in diesen Phantastereien Joe Hutter, der seltsame Brite, an ihrer Seite entlangspazierte, Clara an der Hand, die lächelnd zu ihm aufsah. Man konnte sich so schnell etwas vormachen, und sie kannte diesen Mann überhaupt nicht.
    »Amazing Grace.« Ja, Clara hatte er schon erobert, mit einem so billigen Trick wie einer Dudelsack spielenden Puppe! So einfach würde er es bei ihr nicht haben.
    »Mama, schaust du schon wieder das Bild an?«, fragteClara, die plötzlich neben ihr stand und ihr über beide Ohren strahlend den völlig ermatteten und endlich verstummten Kiltträger entgegenstreckte.
    Nach mehreren Wochen mit königsblauem Himmel war es nun bewölkt und grau. Es sah nach Regen aus.
    Franziska handelte nach einem Spruch aus einem Kalender, den sie sich einmal notiert hatte: »Ergreife den Tag.« Also rief sie Joe an.
    Sie versuchten es beide mit etwas Small talk. Dann piepste es drei Mal in der Leitung:
    »Tut mir leid«, unterbrach er, »jemand klopft bei mir an. Ich muss …«
    »Schon gut«, meinte Franziska. Natürlich. Als hätte sie es nicht anders erwartet.
    »Ich melde mich gleich wieder!«, erklärte Joe und legte auf.
    Verdammt, schimpfte Franziska vor sich hin, bin ich denn nichts wert? Sind die anderen wirklich immer wichtiger? Kaum piept sein Mobiltelefon, bin ich abgeschrieben. Doch Joe hielt Wort – keine zwei Minuten später vibrierte ihr Handy. Ärgerlich hob Franziska ab. Wie zur Entschuldigung bat er sie gleich um ein Wiedersehen. Er fragte sie, ob sie ihm die Stellen des Sees zeigen könnte, die für eine vulkanologische Untersuchung und für eine Bewertung des Gefahrenpotenzials am interessantesten waren. Franziska sagte zu, allerdings zögernd. Sie erklärte, dass Clara mit von der Partie sein müsste. Am Sonntag war der Kindergarten geschlossen, sie fand auf die Schnelle auch keinen Babysitter, der auf ihre Tochter aufpassen würde.
    Sie warteten in einem längeren Stau an einer Baustellenampel, weil eine Fahrspur der Straße gesperrt war. Im Asphalt klaffte ein breiter Spalt. Ein Gebäude stand eingerüstet, überall hingen Warnschilder: »Achtung! Einsturzgefahr!«
    Es dauerte drei Ampelphasen, bis Joe endlich an die Reihe kam. Nie verlor er seine Geduld.
    Franziska dirigierte ihn von Wassenach aus, einem Dorf, das auf der Hügelkette lag, die den See umzog, zu einer scharfen Kurve in der Landstraße, an der die Felder am Ortsrand in einen Mischwald übergingen, und deutete auf die rechte Seite.
    »Hier parken wir!«
    Joe Hutter stellte seinen Wagen auf einen Parkplatz vor einem Hotel. Sie stiegen aus, und Franziska wies auf einen mächtigen Block aus

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