Die Lavendelschlacht
keine Erbsen«, murrte ich, aber Mona fegte meinen Einwand mit einer ungeduldigen Handbewegung beiseite. »Entweder du kaufst die billige Vorratspackung – dann mampfst du die nächsten zwei Jahre Erbsen –, oder du zahlst den doppelten Preis für die halbe Menge.«
Im Geiste sah ich mich schon tränenüberströmt vor der Gefriertruhe im Supermarkt knien und auf die nächsten fünf Singles warten, die bereit waren, sich mit mir die Mega-Ration Tiefkühlerbsen zu teilen.
Aber Mona war noch nicht fertig. »Die Lebensmittel sind natürlich nur die Spitze des Eisbergs«, fuhr sie ungerührt fort. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass die beste Freundin einer Frau gleichzeitig auch immer ihre schlimmste Feindin ist. In Monas Fall schien da was dran zu sein. »Gut, ihr habt eine Eigentumswohnung. Aber ob das jetzt Miete oder Kreditrate heißt, ist am Ende des Monats Wurscht. Lass mich raten: Mindestens zwei Zimmer gehören noch der Bank, oder?«
Damit hatte sie bedauerlicherweise ins Schwarze getroffen. Ich stellte mir vor, wie Herr Wittgenstein, unser pingeliger und stets superkorrekter Kreditsachbearbeiter, bei uns einziehen würde. Seine Hemden waren immer so tadellos gestärkt, dass sie vermutlich auch ohne Bügel im Schrank stehen konnten. Na, das wäre ja eine feine WG! Aber mit ihrer Unkerei hatte Mona mich auf eine Idee gebracht, die, sofern sie funktionierte, mit einem Schlag alle meine finanziellen Probleme beseitigen würde. Meine Stimmung besserte sich rapide. Je mehr ich über diese Lösung nachdachte, desto besser gefiel sie mir.
»Natürlich hast du Recht, wie immer. Die monatlichen Belastungen wären für mich alleine zu hoch. Aber ich hab da so eine Idee. Ich könnte ein Zimmer vermieten ...«, ich machte eine kleine Kunstpause, »... an dich zum Beispiel.« Gespannt wartete ich auf ihre Reaktion.
Die Tiefkühlerbsen waren vergessen, Monas Gesicht hellte sich auf. »Deine Idee gefällt mir. Sehr sogar. Mein Vermieter raubt mir mit seinen Schikanen nämlich langsam, aber sicher den letzten Nerv. Neulich hat er sich darüber beschwert, dass die Fußmatte vor meiner Tür zehn Zentimeter zu breit sei. So ein Korinthenkacker. Es könnte jemand darüber stolpern, natürlich nicht über die Fußmatte, sondern über die zehn Zentimeter.«
»Mit der Fußmatte werden wir uns schon einig«, versprach ich lachend. »Wenn alle Stricke reißen, schneide ich in einer Nacht- und Nebelaktion die paar Zentimeter einfach ab.«
»Untersteh dich, Herzchen! Ich hänge an meiner Fußmatte!« Mona setzte ein verschmitztes Grinsen auf. »Und was ist mit Herrenbesuch?«
»Gestattet. Aber nur bis zweiundzwanzig Uhr«, ulkte ich.
Plötzlich sah die Zukunft schon nicht mehr ganz so finster aus. Manche Probleme lösten sich also doch von selbst, man musste nur lange genug warten. Mir irgendeine wildfremde Person ins Haus zu holen kam für mich nicht in Frage; bei Mona war das natürlich etwas ganz anderes. Nachdem ich den finanziellen Supergau geschickt abgewendet hatte, strotzte ich nur so vor Selbstbewusstsein. Jetzt mussten wir nur noch Thomas loswerden. Aber das konnte doch nicht so schwierig sein!
»Komm, lass uns mal über was anderes reden. Was treibt denn die gemeine Leseratte zur Zeit so?«, wechselte ich das Thema.
Mona wusste auf Anhieb, was ich meinte. Faszination Lesen war der Arbeitstitel einer Fotoserie, an der sie in ihrer Freizeit fieberhaft werkelte. Ich fand die Bilder toll. Meiner Meinung nach war Mona mit der Knipserei für Diabolo eindeutig unterfordert. Sie hatte mehr drauf und wollte es auch zeigen. Ihr Traum war eine eigene Ausstellung, und ich war davon überzeugt, dass sie eines Tages den Durchbruch schaffen würde. Für ihr aktuelles Projekt fing sie lesende Menschen mit der Kamera ein. Auch ich war bereits eines ihrer Opfer geworden.
»Läuft bestens. Es ist einfach unglaublich, was sich auf den Gesichtern beim Lesen alles widerspiegelt«, schwärmte Mona, ihre dunklen Schokoladenaugen sprühten vor Begeisterung Funken. »Fast so, als hättest du plötzlich Einblick in ihre Seele.«
Ein paar Mal hatte ich sie auf der Jagd nach neuen Motiven begleitet. Ich war mir vorgekommen wie Detektiv Matula aus dem Fernsehen. Erst so unauffällig wie möglich an die observierte Person heranpirschen und dann abdrücken. Mona fotografierte immer heimlich. »Sonst wirken die Bilder gestellt«, erklärte sie mir. »Es kommt darauf an, dass die Leute wirklich in ihre Lektüre vertieft sind. Nur dann ist der
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