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Die Lavendelschlacht

Die Lavendelschlacht

Titel: Die Lavendelschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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Gesichtsausdruck echt und authentisch.«
    Deshalb legte sich meine Freundin wie ein Paparazzo mit der Kamera im Anschlag auf die Lauer. In Cafés, an der Bushaltestelle, im Schwimmbad, es gab keinen Ort, an dem man vor ihr sicher war. Erst, wenn sie die Bilder im Kasten hatte, fragte sie höflich, ob sie die Fotos verwenden und zu gegebener Zeit veröffentlichen dürfe. Die wenigsten sagten nein. Es sei denn, sie hatten gerade ein Pornoheft oder ähnlich anrüchigen »Lesestoff« zwischen den Fingerchen. Ein Typ, den Mona beim Studium der weiblichen Anatomie gestört hatte, war sogar handgreiflich geworden. Seitdem waren schlüpfrige Zeitschriften für Monas Fotoserie tabu.
    Erklärte die Person sich jedoch einverstanden, lichtete Mona auch die entsprechende Buch- oder Zeitschriftenseite ab, die der- oder diejenige gerade gelesen hatte. Manchmal kamen dabei interessante Kontraste zum Vorschein. Eine junge Frau saß beispielsweise bei Sonnenschein und fast dreißig Grad im Schatten auf einer Parkbank und verschlang einen Roman, der in der klirrenden Kälte Sibiriens spielte. Ein anderes Foto zeigte einen etwa zwölfjährigen Jungen, der gemeinsam mit seiner Mutter auf den Zug wartete. Er hatte seine Nase tief in ein Heft gesteckt. Erstaunlicherweise verfolgte er jedoch nicht die neuesten Abenteuer von Donald Duck und seinem knickerigen Onkel, sondern die aktuellen Börsenkurse.
    Mona seufzte und nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas. »Morgen werde ich garantiert keine lesenden Menschen vor die Linse bekommen, außer es langweilt sich jemand in der Kirche.« O shit, das hatte ich bisher erfolgreich verdrängt. Bei dem Gedanken an Hochzeitsfeiern und glückliche Brautpaare zog sich mir der Magen zusammen. Hoffnungsvoll horchte ich in meine Verdauungsorgane hinein. Krämpfe? Durchfall? Vielleicht wurde ich ja krank, dann bliebe mir die morgige Tortur wenigstens erspart.

Sechs
    »Tüt, tüt, tüt!«
    Das Signal eines Luxusdampfers, der zum Auslaufen in die Karibik bereitstand? Für eine Weile gab ich mich dieser verheißungsvollen Vorstellung hin: ein bisschen über den Ozean schippern, sich von einem gut gebauten Steward kühle Luft zufächeln lassen, die Sonne genießen ...
    Nein, der Ton klang zu hell.
    »Tüt, tüt, tüt!«
    Die elektronische Uhr meines Backofens, die mich daran erinnern wollte, dass der herrlich duftende Streuselkuchen fertig war? Süß, saftig und tröstlich ...
    Nein, auch das nicht.
    Doch sosehr ich mich auch bemühte, das Tuten meines Weckers ließ sich einfach nicht so recht in meine Träume einbauen. Das war der einzige Grund, warum ich mich seinerzeit für dieses scheußliche, quietschgelbe Radioteil entschieden hatte. Mit einem gezielten Schlag brachte ich das Biest zum Schweigen und tastete auf dem kleinen Sideboard neben dem Sofa nach meiner Brille.
    Ich fühlte rechts, ich fühlte links. Wieder rechts, wieder links. Verdammter Mist! Außer einem Buch, einer Blumenvase und ein paar Staubflocken, die da definitiv nicht hingehörten, war das Brett leer. Dabei hätte ich schwören können, dass ich die Brille gestern Abend, vorm Schlafengehen, dorthin gelegt hatte.
    Merde! Bullshit! Scheiße!
    Cool bleiben!, ermahnte ich mich. Jetzt bloß nicht den Fehler machen, aus lauter Panik mit dem falschen Fuß zuerst aufzustehen. Sicherheitshalber schwang ich beide Beine gleichzeitig über die Sofakante. Aber das war vergebliche Liebesmühe, denn ich wusste: An einem Tag, der so bescheiden beginnt, hat man nicht nur zwei linke Hände, sondern auch zwei linke Füße. Da hat man es schon im Morgenurin: Dieser Tag taugt nichts!
    Apropos ... Wenn ich verhindern wollte, dass gleich ein Unglück passierte, musste ich mal langsam zusehen, dass ich ins Badezimmer kam. Unsicher einen Fuß vor den anderen setzend, stolperte ich in die Diele. Ganz schön nebelig heute! Meine Umgebung nahm ich nur verschwommen wahr.
    Plötzlich trat ich auf etwas Weiches. Typisch! Wahrscheinlich hatte Thomas seine Klamotten, wie üblich, genau da fallen lassen, wo er sie ausgezogen hatte. Doch das Kleidungsstück jaulte empört auf. »O Linus! Entschuldige bitte!« Vielleicht sollte ich ihn als Blindenhund ausbilden lassen.
    Nachdem ich einen Blasenriss in letzter Sekunde vereitelt hatte, tastete ich auf dem Rand des Waschbeckens nach dem Behälter mit meinen Kontaktlinsen. Es klirrte, und ich vernahm das Geräusch von zerspringendem Glas.
    Scherben bringen Glück – na, wer’s glaubt. Ich für meinen Teil war schon

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