Die Lavendelschlacht
kleinen Theateraufführung.
Thomas räusperte sich. »Ähm ja, also Annette und ich haben dieses Jahr keine Weihnachtsgeschenke gekauft, sondern stattdessen für Not leidende Kinder in der Dritten Welt gespendet.« Puh, gerettet! Zum ersten Mal an diesem Tag wurde es mir ein bisschen weihnachtlich ums Herz. Ich warf Thomas einen dankbaren Blick zu. Sein Arm war von meiner Schulter verschwunden. Schade. »Ich hoffe, ihr nehmt es uns nicht übel, dass wir euer Einverständnis einfach vorausgesetzt haben«, untermauerte ich seine Notlüge.
Meine Eltern nickten zustimmend. Klar, für einen guten Zweck waren Mama und Papa immer zu haben.
Amelie hingegen sah leicht pikiert aus. Ich konnte es ihr vom Gesicht ablesen: Was in aller Welt sollte ein Negerbaby mit einer Flasche 4711 anfangen? Sie war noch nie die Hellste gewesen. Nur mit Mühe konnte ich mir ein hämisches Grinsen verkneifen.
Pfui, Annette! Dabei war doch Weihnachten, das Fest der Nächstenliebe. Ich schwor, Buße zu tun, und nahm mir ganz fest vor, irgendeiner karitativen Einrichtung in den nächsten Tagen einen fürstlichen Betrag zukommen zu lassen.
Während die anderen mit dem Auspacken der Geschenke beschäftigt waren, zupfte mich Mama am Ärmel. »Kind, du siehst schlecht aus. Gönn dir mal wieder was. Ich hoffe, du hast nicht das ganze Geld von Tante Frieda für die Kinder in Afrika gespendet. Das ist zwar ein schöner Zug, aber ein bisschen solltest du auch an dich denken.«
Normalerweise ließ Tante Frieda sich an Weihnachten nicht lumpen und bedachte mich, ihr Patenkind, mit einem großzügigen Geldgeschenk. Aber in diesem Jahr hatte ich noch keinen Brief von ihr erhalten.
»Komisch«, sagte meine Mutter, »aber man kennt das ja, vor Weihnachten ist die Post einfach hoffnungslos überlastet.«
Meine finanzielle Lage war derzeit ziemlich angespannt. Tante Friedas Scheck wäre mir also gerade recht gekommen. Selbst wenn ich ein hübsches Sümmchen davon spenden würde, blieb immer noch genug übrig, um die Reparatur meines Autos zu bezahlen. Dem Besitzer der Werkstatt war die astronomische Rechnung regelrecht peinlich gewesen. »Nicht, dass Sie glauben, wir wollten Sie übers Ohr hauen, aber diese Teile waren dieses Mal wirklich alle kaputt.« Hatte er tatsächlich »dieses Mal« gesagt? Und was war mit dem Mal davor und davor und dem Mal davor gewesen? Bei Gelegenheit sollte ich mich unbedingt nach einer neuen Autowerkstatt umsehen.
»So, jetzt mach aber mal unser Geschenk auf.« Meine Mutter überreichte mir einen liebevoll verpackten Karton. Vor Jahren hatte ich den zaghaften Versuch gestartet, die Schenkerei in unserer Familie abzuschaffen. Doch da biss ich bei Mama auf Granit. Selbst den Einwand, dass wir doch bereits alles hätten, was man als zivilisierter und leidlich gut verdienender Mensch so braucht, ließ meine Mutter nicht gelten. Irgendeine Sache fand sie nämlich immer, die in unserem Haushalt noch fehlte. Dieses Jahr war es ein beheizbares Soßenkännchen.
Doch, doch, so was gibt’s wirklich!
Aber Weihnachten ist ja bekanntlich das Fest der Bräuche und Rituale. Ich tat so, als hätte ich mich schon immer gefragt, wie ich ohne ein beheizbares Soßenkännchen bloß hatte leben können. Und mein Vater steckte mir – wie jedes Jahr – grinsend den Kassenbon zu.
Derweil Mama noch über die Vorteile eines beheizbaren Soßenkännchens fachsimpelte – wer hätte das gedacht, die Soße blieb darin heiß –, klingelte es an der Tür.
Kai sprang auf. »Bleibt sitzen, ich geh schon.«
Kurz darauf kehrte er zurück. »Das Christkind war da«, rief er munter und hielt ein kleines Päckchen in die Höhe. »Zu dumm, ich habe vergessen, den Boten zu fragen, für wen von euch beiden es bestimmt ist. Leider steht weder der Empfänger noch der Absender drauf.«
Von wem konnte dieses mysteriöse Päckchen sein?, überlegte ich angestrengt. Vielleicht von Tante Frieda? Anstelle des obligatorischen Schecks?
»Mach du es doch einfach auf, Kai!«, entschied ich spontan. Im ersten Moment sah es so aus, als wollte Thomas protestieren, dann überlegte er es sich jedoch anders.
»Na schön, wie ihr meint.« Kai ließ sich nicht lange bitten und riss das Packpapier auf. Darunter kam ein dunkelblaues, längliches Schächtelchen zum Vorschein. Sah nach Juwelier aus.
Tok, tok, tok. Ich spürte, wie sich mein Pulsschlag beschleunigte. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem lilafarbenen Teddybärmonster vom Weihnachtsmarkt war nicht zu
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