Die Lavendelschlacht
leugnen.
»Diamonds are a girl’s best friend«, summte Mona, die das Gleiche zu denken schien wie ich, leise vor sich hin.
Meine Hände wurden feucht. Hatte Thomas doch noch rechtzeitig erkannt, was ihm unsere Beziehung bedeutete? Vielleicht hatte Mona sogar Recht gehabt, und er war in Wirklichkeit gar nicht fremdgegangen. Ein heißer Flirt kommt schließlich in der besten Partnerschaft mal vor. Bei einer Frau wie Valerie war das sogar irgendwie verständlich – und verzeihlich. Schuldbewusst dachte ich daran, wie Josch mein Seelenleben für kurze Zeit durcheinander gewirbelt hatte. Was wohl passiert wäre, wenn er einen Annäherungsversuch gestartet hätte? Ach, grober Unfug! Was hätte schon passieren sollen? Gar nichts natürlich!
Komisch – ich nahm das Kästchen etwas genauer in Augenschein. Für einen Ring hatte es das falsche Format. Zu groß, zu lang. Aber es musste zur Verlobung ja nicht unbedingt immer ein Ring sein, es gab auch viele andere schöne Schmuckstücke. Für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke. Wärme und Zärtlichkeit lagen in Thomas’ Augen. Oder bildete ich mir das am Ende bloß ein?
»Tata!« Kai hob den Deckel an. Eine Designeruhr funkelte uns entgegen. Unverkennbar eine Herrenuhr.
Ich schluckte. Um mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, sammelte ich ein paar Geschenkpapierfetzen vom Boden auf.
»Sieht so aus, als wäre das Geschenk für Thomas bestimmt«, stellte Kai fest. Pfiffiges Kerlchen! Er reichte die Schachtel an seinen Bruder weiter.
Thomas nahm die Uhr heraus und hielt sie sich ans Handgelenk. »Hübsch«, sagte er lapidar. »Keine Karte? Da muss wohl was schief gelaufen sein. Wahrscheinlich fließen heute irgendwo in der Nachbarschaft Tränen, weil das Geschenk für den lieben Gatten nicht angekommen ist.« Achtlos legte er die Uhr auf den Kaminsims, neben die verstaubten Krippenfiguren. In der Hektik war ich nicht dazu gekommen, sie sauber zu machen.
Meine Mutter zeigte mit ausgestrecktem Finger und anklagendem Gesicht auf die Krippe mit dem Jesuskind.
Nein, Mama, tu’s nicht, betete ich innerlich.
Ich hoffte inständig, dass sie nicht vor versammelter Mannschaft nach einem Staubtuch verlangen würde. Aber es kam noch besser. »Ist denn bei euch immer noch kein Nachwuchs unterwegs?«
Die Uhr war mit einem Schlag vergessen.
Mama war ganz wild darauf, endlich ein paar Babyfotos in ihr Portemonnaie zu stecken. Dieser Trumpf fehlte ihr noch. Mein Haus, meine Kinder, meine Enkel... So lief das in dieser Altersklasse.
»Ja, wann legt ihr denn mal los?«, bekam Mutsch von meinem Vater Rückendeckung. »Wir sind die Einzigen im Kegelclub, die noch keine Enkelkinder haben.«
Mona und Kai starrten abwechselnd große und kleine Löcher in die Luft. Dumm di dumm di dumm. Auch Thomas fühlte sich bei diesem heiklen Thema sichtlich unwohl. Mit konzentrierter Miene zupfte er eine imaginäre Fluse von seinem Hemd. Wahrscheinlich hatte er Schiss, dass ich die Bombe in allerletzter Minute hochgehen lassen würde.
Ich kam mir aber auch wirklich schäbig vor, meine armen Eltern so anzuschwindeln. Was war ich bloß für eine Tochter?! » Ihr seid natürlich die Ersten, die erfahren, wenn ich schwanger bin.« Erstens war das nicht gelogen, und zweitens konnte ich Amelie auf diese Weise gleich noch eins auswischen.
Als endlich alle Gäste gegangen waren, ließ ich mich erschöpft in einen Sessel fallen. Ich war fix und fertig. Puh, was für eine Tortur! Diese Schauspielerei hatte mich echt geschafft. Dem wachsamen Auge meiner Mutter war nichts entgangen. Weder mein Bettzeug auf der Couch im Arbeitszimmer noch die pinkfarbenen Wände des Schlafzimmers. Die Sache mit Henriksberg war leicht zu erklären gewesen, denn mein Vater war ebenfalls ein passionierter Schnarcher. Bei den pinkfarbenen Wänden war Thomas mir zu Hilfe gekommen. Ein bisschen Farbe im Leben könne doch schließlich nicht schaden, hatte er meiner Mutter versichert. Im Prinzip hatte sie ihm sogar Recht gegeben. Aber musste es ausgerechnet Pink sein?
Alles in allem war der Abend jedoch wider Erwarten relativ glimpflich über die Bühne gegangen. Keine Katastrophe, kein großes Fiasko. Nur der ganz normale Wahnsinn einer ganz normalen Familienfeier.
Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt, aber die glühenden Holzscheite verbreiteten immer noch eine wohlige, einschläfernde Wärme. Gähnend kuschelte ich mich in die Polster. So harmonisch war es bei uns schon lange nicht mehr zugegangen,
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