Die Lavendelschlacht
manchen Momenten war mir so viel Glück fast nicht geheuer. »Erst bist du im siebten Himmel, und dann fällst du aus allen Wolken«, hatte ich Fraukes warnende Worte im Ohr. Aber solche Sprüche gehörten für sie längst der Vergangenheit an, denn ihr Pauker hatte sich als echter Traumprinz entpuppt.
Die Reaktionen auf Thomas’ und meine »Wiedervereinigung« waren durch die Bank positiv.
Mona triumphierte. »Wie war das noch gleich? Wolltest du nicht die ganze Vogel-Sippe am liebsten auf den Mond schießen? Wie gut, dass die NASA gerade kein Plätzchen mehr frei hatte.«
Kai hüllte sich in Schweigen. Aber natürlich sah ich das zufriedene Funkeln in seinen Augen.
Vor Joschs Reaktion hatte ich mich am meisten gefürchtet. Doch er war ein verdammt guter Verlierer und trug es mit Fassung, dass Thomas und ich wieder zusammen waren.
»Ich hab mir schon gedacht, dass du den Häuslebauer noch liebst. Auch wenn du dir das nicht eingestehen wolltest.«
»Du bist also nicht sauer?«
»Klar bin ich sauer.« Das niedliche Grübchengrinsen erschien auf seinem Gesicht. »Darüber, dass du dich auf Monas Vernissage nicht von mir verabschiedet hast.«
In letzter Zeit hatte Josch sich ein paarmal mit der Frau, die er in der Galerie kennen gelernt hatte, getroffen. Vielleicht wurde ja mehr daraus. Ich wünschte es ihm von Herzen.
Am meisten überraschten mich jedoch meine Eltern.
»Ich bin froh, dass bei euch wieder alles in Ordnung ist«, flüsterte Mama mir zu, nachdem Thomas und ich Sonntagnachmittag in den Genuss ihrer berühmt-berüchtigten Käsesahnetorte gekommen waren.
»Wieso?«, fragte ich harmlos.
Meine Mutter kniff die Lippen zusammen, so wie sie es früher schon immer getan hatte, wenn sie mich beim Lügen erwischt hatte. »Annette, Annette, ich bin zwar alt, aber nicht blöd. Ich hab doch Weihnachten gespürt, dass bei euch der Haussegen schief hing. Und dann auch noch dieses pinkfarbene Schlafzimmer, so eine aggressive Farbe ...« Mutsch konnte man eben nichts vormachen!
Ich war auf einem solchen Harmonietrip, dass ich es mir sogar in den Kopf gesetzt hatte, Thomas und Josch zu Freunden zu machen. Ich stellte mir das richtig nett vor, wenn die beiden in unserem Wohnzimmer gemeinsam Fußball gucken oder über Computer fachsimpeln würden. Aber daraus wurde nichts. Der gemeinsame Kneipenbesuch war ein absolutes Fiasko. Josch und Thomas lieferten sich einen verbalen Schlagabtausch, bei dem sie vorzugsweise unter die Gürtellinie zielten. Ich war den ganzen Abend damit beschäftigt, die beiden Preisboxer in ihre Schranken zu weisen, um das Schlimmste zu verhindern. Nichts zu machen! Die beiden konnten sich einfach nicht riechen. Eher würde es mir gelingen, Linus und Lilis Katze miteinander auszusöhnen.
Neunzehn
Draußen war es dunkel, kalt und ungemütlich. Die Bäume wurden von Sturmböen durchgerüttelt, und dicke Regentropfen klatschten gegen die Fensterscheiben. Ich hatte mich mit einer Wolldecke auf die Wohnzimmercouch gekuschelt und nippte ab und zu an meinem Weinglas. Abwesend starrte ich auf den Fernseher und ließ die bunten Bilder an mir vorüberziehen. Offen gestanden hatte ich keinen blassen Dunst, was mir da für ein spannendes oder gar geistreiches Unterhaltungsprogramm geboten wurde.
Ich versuchte, mich zu konzentrieren. Zu meiner großen Freude sah ich Manfred Krug in Begleitung seines kleinen, ergrauten Assistenten über den Bildschirm schlappen. Ein Tatort also! Es gab wahrlich Schlechteres. Aber anstatt böse Buben und gemeingefährliche Verbrecher zu jagen, faselte der Mann irgendetwas von einem dämlichen Telefontarif, bei dem der Fernsehzuschauer zugreifen sollte. Sofort!
Thomas dachte jedoch gar nicht daran, sich von dem ausgebufften TV-Kommissar etwas aufschwatzen zu lassen. Rasch ein Knöpfchendruck, und schon beglückte uns der Herr Bundeskanzler mit rosaroten Zukunftsaussichten. Teufel nochmal, was würde es uns bald gut gehen!
Bevor ich mich angemessen darüber freuen konnte, zappte Thomas weiter. Schüsse ließen mich zusammenzucken, das Blut floss in Strömen. Angewidert tauchte ich unter meine Wolldecke ab. Thomas hatte Erbarmen und machte sich erneut an der Fernbedienung zu schaffen.
Hin und wieder spielte ich mit dem Gedanken, diese frauen-feindliche Erfindung gegen die Wand zu pfeffern. Chronisches Channel-Hopping – das hatten diverse Fallstudien in meinem Bekanntenkreis ergeben – war eine gefährliche Seuche, die vor allem den männlichen Teil der
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