Die Lazarus-Formel
Margaret, blieb aber draußen stehen.
MacDougall sah sie fragend an.
»Von hier aus finden wir uns allein zurecht«, erklärte Margaret freundlich. »Haben Sie vielen Dank, Mister MacDougall.«
»Ich kann Ihnen sicherlich noch viele interessante Details zum Bau und zur Geschichte der Kapelle erzählen«, meinte MacDougall.
»Nicht nötig«, entgegnete Margaret. »Ich denke, ich weiß alles, was es über sie zu wissen gibt. Wir melden uns beim Torhaus ab, wenn wir wieder zurückkommen.«
Er zögerte.
Margarets Lächeln wurde noch wärmer … und auch eindringlicher. »Länger als eine Stunde werden wir nicht brauchen.« Sie feixte. »Wir werden auch ganz bestimmt nichts stehlen.«
Eve sah, dass MacDougall rot wurde. »Das habe ich ganz bestimmt nicht unterstellen wollen«, beeilte er sich zu sagen. »Ich wollte nur behilflich sein und …«
»Das sind Sie bereits, mein Lieber«, unterbrach ihn Margaret. »Sehr.« Dann machte sie tatsächlich einen Schritt zu ihm hin und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
Sein Gesicht nahm eine noch tiefere Färbung an, und für einen Sekundenbruchteil glaubte Eve, dass er gleich loskichern würde wie ein Mädchen, das bei ihrer ersten Tanzstunde von ihrem heimlichen Schwarm aufgefordert wurde.
»Nun gut«, sagte er mit leicht krächzender Stimme. »Ich werde dann unten im Torhaus auf Sie warten und würde mich sehr freuen, wenn Sie mir vielleicht die Ehre erweisen würden, dort noch ein Gläschen Port mit mir zu trinken.«
»Sehr gern«, antwortete Margaret, und auch Eve nickte.
MacDougall verneigte sich tief. »Eure Hoheit.« Dann ging er zurück zur Treppe, und Eve hätte schwören können, dass ein völlig neuer Schwung in seinen Schritten lag.
»Ach, die MacDougalls«, sagte Margaret leise, als er außer Hörweite war. »Immer ausgesprochen höflich und dankbar. Ich hatte mal was mit zweien seiner Ahnen.«
»Nacheinander, hoffe ich«, sagte Eve mit einem schelmischen Grinsen.
Daraufhin war es Margaret, die rot wurde. »Komm, lass uns reingehen.«
77
St. Margaret’s Chapel.
Eve folgte Margaret mit kleinen, ehrfürchtigen Schritten durch die niedrige Tür hinein in die Kapelle. Der Raum darin war klein, schon fast winzig, etwa drei mal acht bis höchstens achteinhalb Meter. Er bot gerade mal genug Platz für maximal zwei Dutzend Menschen. Das Hauptschiff, wenn man es mit seinen etwas über fünf Metern Länge überhaupt so nennen konnte, war durch einen flachen Bogen vom leicht erhabenen halbrunden Altarraum am Ende abgetrennt.
Margaret blieb stehen und stieß einen tiefen Seufzer aus, der von den kargen Wänden hallend zurückgeworfen wurde und damit noch wehmütiger klang.
»Alles in Ordnung, Maggie?«, fragte Eve besorgt.
Margaret deutete auf einen unscheinbaren Stein in der unteren Ecke des Raums. »Das dort war der erste«, sagte sie andächtig leise. »Ich habe ihn selbst gelegt.«
»Du hast die Kapelle bauen lassen?« Die Erkenntnis, dass die Frau, die neben ihr stand, schon vor eintausend Jahren auf dieser Felskuppe gestanden hatte, ehe das alte Gemäuer um sie herum überhaupt errichtet worden war, jagte ihr einen Schauer über den Rücken, und sie kam sich plötzlich selbst ganz klein und unwichtig vor im Gefüge der Zeit. Wo würde sie selbst in eintausend Jahren stehen? Was würde sie in der Zeit bis dahin erleben und erreichen? Würde sie die Welt ebenso ändern, wie es Margaret gelungen war?
»Ja«, antwortete Margaret auf ihre Frage, »ich habe sie bauen lassen. Um den Eingang zur Quelle zu verbergen.«
»Aber du bist keine Christin«, wunderte sich Eve. »Wieso dann eine christliche Kapelle?«
»Das Christentum war durch die letzten Römer sehr populär geworden hier auf der Insel«, sagte Margaret. »Ich dachte, falls die Burg gegen jede Wahrscheinlichkeit doch einmal erobert würde, würde man die Kapelle aus religiöser Ehrfurcht heraus nicht so schnell niederreißen wie die alten germanischen und keltischen Heiligtümer im Rest des Landes und dabei zufällig auf den Zugang zur Quelle stoßen.«
»Wir sind also da?«, fragte Eve und merkte, dass sie mit einem Mal noch sehr viel nervöser war als draußen auf der Brücke. »Am Eingang zur Quelle des ewigen Lebens?«
»Fast«, sagte Margaret verheißungsvoll. Sie fasste Eve bei der Hand und führte sie zur rechten Seite des niedrigen Bogens, der von zwei mal zwei Säulen getragen wurde. Bei näherem Hinsehen jedoch erkannte Eve, dass es keine echten, sondern nur stilisierte Säulen
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