Die Lazarus-Formel
Er sprach das letzte Wort aus, als wäre es eine Beleidigung, und Ben wusste, dass es auch als solche gemeint war. »Ohne all diese Systeme und unsere Kontrolle wären sie wie Hefe in einem Fass voll nassem Mehl«, ereiferte sich Set. »Sie würden fressen und scheißen und sich vermehren und weiterfressen und weiterscheißen und sich weiter vermehren, bis sie so viele wären, dass sie an ihrer eigenen Scheiße verrecken und den ganzen Planeten gleich mit sich ins Verderben reißen!«
»Unsinn«, sagte Ben. »Wären sie alle unsterblich, hätten sie eine Chance, klüger zu werden, und würden mit den Ressourcen dieses Planeten sehr viel vernünftiger haushalten. Sie könnten sich vor allem endlich den Luxus erlauben, friedlich miteinander und auch füreinander zu existieren.«
»Ja, wirklich. Immer noch ganz der Alte«, sagte Set herablassend. »Derselbe gefährliche Optimismus, für den ich dich schon einmal getötet habe. Was mich direkt zum eigentlichen Grund unseres heutigen Treffens bringt.«
»Wenn ich mich recht erinnere, hattest du damals aber wesentlich mehr Verstärkung dabei«, sagte Ben.
Set grinste. »Damals war ich noch schwach. Inzwischen hatte ich ein paar Jahrtausende Zeit zu trainieren.«
»Offenbar aber noch lange nicht genug, um es allein mit mir aufzunehmen.« Ben deutete mit seiner MP i auf die beiden Soldaten neben Set. »Sag, wie fühlt es sich eigentlich an, da ganz tief in dir drin, die ganze Welt glauben zu machen, man wäre der mächtigste Mann der Welt, ja, sogar ein Gott , und doch insgeheim zu wissen, dass es doch nie zu mehr gereicht hat als zur Nummer zwei?«
Ben sah, wie sich Sets Augen vor Hass zu Schlitzen zusammenzogen.
»Und wie fühlt es sich an, ein Gott zu sein wie du und dann von einem Menschen wie mir besiegt zu werden?«, presste Set zwischen den Zähnen hervor. »Wirf die MP i weg, und ich zeige dir, wer hier die Nummer zwei ist.«
»Aber natürlich.« Ben lachte. »Und sobald ich das tue, schießen mich deine Männer nieder.«
Set schüttelte den Kopf. »Nein, darauf gebe ich dir mein Wort. Nur du und ich. Mann gegen Mann.« Er wandte sich an seine Leute. »Legt die Waffen weg.«
Sie gehorchten.
»Jetzt du«, forderte Set.
Ben ließ die MP i fallen und zog sein zweites Schwert.
Set flankte über die Brüstung der Brücke und landete leichtfüßig auf dem Deck. Die Klinge seines Säbels leuchtete im Schein des Feuers, als er ihn langsam nach oben in Angriffsposition brachte, die Spitze auf Ben zeigend.
»Dieses Mal jedoch wird niemand da sein, der deinen göttlichen Leib wieder zusammensetzt«, sagte er leise und drohend. »Mein Fehler, dass ich die Stücke nicht schon gleich beim ersten Mal auf dem Grund des Meeres versenkt habe.«
»Ja, das war ein Fehler«, knurrte Ben und brachte seine Schwerter ebenfalls in Position.
Wie zwei Titanen aus den Epen Homers standen sich die beiden zum Duell gegenüber. Die sonst fast immer raue See um sie herum lag still, ganz so, als würde sie voller Ehrfurcht vor diesem Kampf der Unsterblichen schweigen.
Für eine Zeit, die wie eine kleine Ewigkeit erschien, bewegte sich keiner der beiden. Sie blickten sich nur an. Ein Zweikampf funkelnder Augen. Sie wogen einander ab, prüften ihre Positionen und gingen im Kopf mögliche Attacken und Verteidigungen durch. Warteten. Darauf, dass der jeweils andere angriff.
In einem Treffen zweier Ebenbürtiger ist der, der zuerst angreift, meist der Verlierer.
»Worauf wartest du?«, fragte Set lauernd.
»Auf das Ende der Zeit«, erwiderte Ben seelenruhig. Je länger er Set hinhalten konnte, umso größer würde Eves Vorsprung sein, ihre Chance zu entkommen.
»Das ist für dich heute gekommen.«
»Wir werden sehen.«
»Ich habe dich einmal getötet, ich werde es wieder tun.«
»Du irrst dich, Set. Ich bin nicht der, für den du mich hältst.«
Set lachte. »So? Wer bist du dann? Unsinn! Wenn dich irgendjemand kennt, dann bin ich das. Ich habe über tausend Jahre in deinem Schatten verbracht. Seit du mich in Naqada gefunden und zu dem gemacht hast, was ich heute bin. Ich bin dir gefolgt wie ein Hündchen, habe gelernt, was immer ich konnte, und musste tatenlos dabei zusehen, wie du mehr und mehr von uns geschaffen hast. Mehr und mehr unserer Macht abgegeben und Wissen verschenkt hast, als wäre es keinen Pfifferling wert. Wie du die Unsterblichkeit verschenkt hast, als wäre sie das Geburtsrecht dieser Maden.«
»Sie ist ihr Geburtsrecht, Set.«
»Unsinn, Osiris«, brüllte
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