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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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hätte er das Rätsel der Unsterblichkeit seinen Mitmenschen offenbart.
    Wenn Eves Meinung gerechtfertigt war, dass Pharmakonzerne, die mittellose Menschen lieber sterben ließen, als ihnen ihre Medikamente kostengünstiger zu überlassen, Mörder waren, dann stand vor ihr gerade der größte Massenmörder aller Zeiten.
    Sie sprang erneut auf. »Wie konnten Sie das tun?«, schrie sie ihn an. »Wie können Sie das verantworten? Sie hätten Milliarden Menschen vor dem Tod bewahren können!«
    »Und damit die Welt innerhalb von nur zwei Generationen durch Überbevölkerung zerstört!«, schrie er zurück – und gab sich damit preis.
    »Man hätte die Geburtenrate regulieren können«, entgegnete sie.
    »Dann hätte es Sie selbst wahrscheinlich nie gegeben. Und Milliarden anderer ebenfalls nicht. Wagen Sie es nicht, mir mit moralischen Phrasen zu kommen! Jeden Tag, der vergeht, stelle ich mir die Frage: Bin ich der Mörder all derer, die in den letzten sechzig Jahren gestorben sind, oder der Erretter und Gott all jener, die in diesen sechzig Jahren geboren wurden? Oder bin ich vielleicht nur ein unwürdiger Lump, dem sich durch einen Zufall ein unglaubliches Geheimnis offenbart hat und der am wenigsten Schaden anrichtet, wenn er sich zurückzieht und nicht mehr rührt?«
    »Haben Sie sich deshalb versteckt? Weil Sie mit der Verantwortung nicht zurechtkamen?« Sie wollte es nicht glauben.
    »Sie haben keine Ahnung, womit Sie es hier zu tun haben, Doktor Sinclair. Nicht die geringste.« Er holte eilig einen seesackähnlichen Leinenbeutel und einen ledernen Rucksack aus dem einen Schrank und begann, Sachen hineinzustopfen: Unterwäsche, ein Hemd, eine Hose, eine Jacke, eine Brieftasche, ein Bündel Geldscheine. »Gehen Sie jetzt bitte, und vergessen Sie, dass Sie jemals hier waren, dass Sie mich gesehen haben und dass Sie überhaupt von mir wissen. Und geben Sie Ihre Forschungen auf, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist.«
    Von unter der Wolldecke unter dem Schreibtisch kramte er ein offenbar Jahrzehnte altes Notizbuch hervor und stopfte es in den Rucksack. Es gab also doch Unterlagen!
    »Vor wem laufen Sie davon? Wovor haben Sie Angst?«
    »Beten Sie, dass Sie das nie erfahren«, sagte er, ohne beim Packen innezuhalten. »Ich hoffe nur, dass niemand weiß, dass Sie hier sind. Es weiß doch niemand, dass Sie hier sind, nicht wahr?«
    »Meine Assistentin weiß es.«
    »Dann bringen Sie Ihre Familie in Sicherheit.«
    »Ich habe keine Familie mehr.«
    »Ich hatte eine. Anders, als Sie glauben, gab es einen Arthur. Und auch eine Frau. Sie haben mir beide genommen.«
    »Wer?«
    »Sie wissen schon jetzt zu viel! Verschwinden Sie endlich!«
    »Wenn Sie sagen, mein Leben sei schon jetzt in Gefahr, helfen Sie mir, mich zu schützen, indem Sie mir verraten, vor wem ich mich in Acht nehmen muss.«
    »Sie können sie nicht aufhalten. Niemand kann das.«
    »Wen, Professor Feldmann? Wen?«
    »Die Aes…« Er wurde unterbrochen von einem Klirren und einem laut knirschenden und klebrig-breiigen Geräusch, das klang, als würde man einen Bleistift durch den Deckel einer Dose in darunter liegendes Hundefutter in Aspik rammen. Ein sehr kurzer, dicker Bolzen ragte auf einmal mit dem befederten Ende aus Professor Feldmanns Stirn. Er hatte die Augen vor Schreck und Erstaunen weit aufgerissen. Das plötzliche Entspannen der Gesichtszüge einen Herzschlag später ließ seinen Unterkiefer nach unten klappen und den Mund ein großes, fassungsloses O formen, ehe er wie ein Sack Kartoffeln vor Michelangelos Bild in sich zusammenbrach und auf den Holzboden schlug.
    Vor Schreck machte Eve, ehe sie überhaupt begriff, was geschah, einen Sprung zurück und … Ein zweiter Bolzen jagte nur wenige Zentimeter an ihrem Gesicht vorbei und schlug in die Tür neben ihr ein, wo er stecken blieb. Instinktiv ließ sie sich zu Boden fallen und suchte hinter dem Tisch und den Stühlen Deckung.
    Gegen jede Vernunft einem antrainierten Automatismus folgend griff sie nach Feldmanns Handgelenk, um den Puls zu prüfen. Nichts. Er war tot. Wenn ein Armbrustbolzen von leicht schräg oben Großhirn, Hirnstamm und Kleinhirn durchstößt, findet auch die Unsterblichkeit ihre Grenzen.
    Eve nahm ihre Handtasche und zog den Rucksack aus Feldmanns lebloser Hand. Das Notizbuch .
    So schnell sie konnte, krabbelte sie auf allen vieren zur Tür und hoffte, dass ihr der Tisch und die Stuhllehnen für ein paar Momente genügend Schutz boten vor dem unbekannten Schützen jenseits des

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