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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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sie an ihm hoch, um mit ihren Zähnen seine Kehle zu erwischen. Sie war wie eine in die Enge getriebene todespanische Katze. Um zu verhindern, dass sie seinen Hals erreichte, drückte er sie von sich, ohne ihre Unterarme loszulassen, und kassierte gleich darauf einen Rammstoß mit dem Knie zwischen die Beine. Er knurrte auf vor Schmerz, ließ einen ihrer Arme los, packte sie in den Haaren und schleuderte sie zu Boden. Sofort wollte sie sich wieder aufrappeln, doch er stellte seinen Stiefel auf ihre Kehle und drückte leicht zu.
    »Ich tue Ihnen nichts, Doktor Sinclair!«, keuchte er über die Schmerzen in seinem Unterleib hinweg. »Ich bin gekommen, um Ihnen zu helfen!«
    Sie funkelte ihn von unten herauf aggressiv an und schnaubte, während sie mit beiden Händen versuchte, den Druck seines Stiefels zu mindern und sich freizustrampeln.
    »Wollte ich Ihren Tod, hätte ich die Tür nicht geöffnet. Verstehen Sie das?« Er sprach langsam und eindringlich, um sie zu beruhigen. Ihr wütender Blick wurde skeptisch. »Und ich müsste auch jetzt einfach nur zutreten und Sie in die Flammen zurückwerfen. Also bitte vertrauen Sie mir.«
    Sie hörte auf zu strampeln.
    Er nahm den Stiefel von ihrem Hals und hielt ihr eine Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Sie ignorierte sie und kam umständlich auf die Beine. Ihn noch immer argwöhnisch im Auge behaltend hob sie Rucksack und Handtasche vom Boden auf.
    »Haben Sie den Stein?«, wollte er wissen.
    Sie schaute ihn fragend an. Dann aber weiteten sich ihre Augen, und sie machte unwillkürlich einen Schritt zurück.
    Als er merkte, dass sie nicht länger ihn ansah, sondern an ihm vorbei, wusste er, dass jemand hinter ihm stand.

14
    Eves Puls raste. Das Herz hämmerte ihr wild gegen die Rippen, und ihr Atem ging schnell und stoßweise. Sie hatte einem grausamen Tod inmitten der Flammen ins Auge gesehen und war ihm gerade noch entkommen. Dann der Kampf mit dem Fremden, den sie für ihren Mörder gehalten hatte. Und nun das!
    Aus den Schatten jenseits des Feuerscheins kamen fünf Gestalten in weiten schwarzen Kutten und tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen. In ihren Händen hielten sie Dolche und Schwerter mit kunstvoll verzierten Griffen.
    Sie kamen, um zu töten. Sie zu töten. Aber warum ?
    Zweimal hintereinander Todesangst – für ein drittes Mal reichte es nicht mehr. Sie war nur noch wütend. So wütend, wie sie sich selbst noch nie erlebt hatte. Am meisten wegen ihrer eigenen Wehrlosigkeit.
    Die Männer schlossen einen Dreiviertelkreis um sie, mit dem brennenden Turm im letzen Viertel. Kein Ausweg. Kein Entkommen. Im Zentrum des Kreises sie und der große Fremde.
    Erst da kam sie dazu, ihn zu betrachten. Er musste etwa vier oder fünf Jahre älter sein als sie, war fast zwei Meter groß, blond und hatte die breitesten Schultern, die sie je bei einem so schlanken Mann gesehen hatte. Sein sonnengebräuntes Gesicht war ebenmäßig schön und dennoch markant, der Bartschatten gab ihm etwas Raues, Düsteres. Und dann waren da seine Augen. Noch nie hatte Eve Augen gesehen, die so wach blickten und so lebendig, so entschlossen und so wild, so frei von Zweifeln oder Angst.
    Ohne sie anzusehen, raunte er ihr mit tiefer Stimme zu: »Zwischen mich und den Turm – schnell!«
    Sie kannte ihn nicht, aber gehorchte instinktiv, obwohl sie bezweifelte, dass er gegen fünf Gegner eine Chance hatte.
    Er wandte sich den Männern in den Kutten zu. »Geht, und ihr werdet leben. Bleibt, und ihr sterbt.«
    Die Männer zogen den Kreis mit einem weiteren Schritt enger.
    »Versteht ihr, dass für euch der Tod das Ende der Existenz bedeutet?«
    Eve fand es völlig unpassend, dass er in dieser Situation zu philosophieren begann, und wunderte sich darüber, dass ihm diese Frage wichtig erschien.
    »So ist es von Gott gewollt«, antwortete einer der Fünf, der offenbar besser verstand als Eve, was der Fremde gesagt hatte, denn er sprach die Worte mit inbrünstigem Ernst. »Ewiges Leben wartet im Himmel auf uns.«
    Der Fremde schüttelte bedauernd den Kopf und zog zwei altertümliche Schwerter aus Scheiden auf seinem Rücken, die Eve vorher gar nicht aufgefallen waren. Die gebogenen Klingen schimmerten schwarz und rot im Schein des Feuers. Damaszenerstahl. Die Klingen waren mit seltsamen Zeichen verziert.
    »Nun, wenn euer Gott es so will«, sagte Eves Retter, »dann bin ich frei von Schuld.« Er setzte sich in Bewegung.
    Einen Wimpernschlag später rollte ein abgetrennter Kopf über die alten Sandsteinplatten,

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