Die Lazarus-Formel
sind.
Es gibt für Sie ohnehin kein Entkommen mehr.
Von wegen! Eve hatte zwar keine Ahnung, was sie tun sollte, aber sie wusste, was sie auf keinen Fall tun würde: bleiben.
Ihr Bau, ihr Nest, ihr Zuhause war zerstört worden. Hier gab es keine Sicherheit mehr für sie. Sie wusste, wenn sie leben wollte, musste sie es hinter sich lassen. Sofort hinter sich lassen. Vielleicht für immer. Hastig griff sie aus ihren Schubladen ihren Ausweis, Kreditkarten und Bargeld, stopfte alles in ihre Handtasche und rannte, ohne sich noch einmal umzudrehen, zurück nach draußen zu ihrem Wagen.
Beim Versuch, den Kunststoffschlüssel in das Schloss neben dem Lenkrad zu stecken, fiel er ihr zweimal hinunter. Sie zwang sich dazu, ruhiger zu atmen, um sich kontrollierter zu bewegen.
Wer auch immer auf dem Weg hierher sein mochte, würde gleich da sein.
Nur mit Mühe brachte sie es fertig, den Wagen zu starten, ohne ihn ausgerechnet in dieser Situation abzuwürgen. Sie war lange genug Forscherin, um zu wissen, wie tödlich der Fluchtinstinkt war, wenn er sich mit Angst vermischte und zur Panik wurde.
Sich nach allen Seiten umsehend lenkte sie den Wagen gezwungen langsam und vorsichtig aus der Einfahrt und trat das Gaspedal erst durch, als sie die freie Straße vor sich hatte. Dann erst überlegte sie, wohin sie fahren sollte.
Zur Polizei.
Aber erst musste sie noch im Labor vorbei, um ihre Daten in Sicherheit zu bringen. Auf keinen Fall durfte sie riskieren, dass, wer auch immer die Computer in ihrem Zuhause zerstört hatte, sich auch an dem System in der Uni vergriff und dabei die Forschungsergebnisse zu ihrem Heilmittel gegen Krebs vernichtete.
Fünfzehn Minuten später, in denen sie immer wieder in den Rückspiegel geblickt hatte, parkte sie ihren Audi in den Nachtschatten des Instituts und schlich um das Steingebäude herum zum Wintergarten.
Sie hielt inne und sah sich um. Niemand zu sehen. Um völlig sicherzugehen, dass sie nicht verfolgt wurde, lauschte sie in die Nacht. Nichts. Es war sogar so still, dass sie ihr eigenes Herz schlagen hörte. Sie holte den Schlüssel aus der Handtasche und schloss auf. Die Tür ließ sich geräuschlos öffnen.
Trotz der gespenstischen Dunkelheit widerstand Eve der Versuchung, die Beleuchtung einzuschalten, und tastete sich im nur spärlich in den Wintergarten fallenden Licht der Sterne zwischen den Eiben hindurch zu ihrem Schreibtisch.
Er war verwüstet, die Computer zertrümmert.
Eve hatte in dieser Nacht schon zu viel erlebt, um noch schockiert zu sein, aber instinktiv duckte sie sich und musste gegen den Drang ankämpfen, sofort wieder davonzurennen. Noch war nicht alles verloren. Aus bitterer Erfahrung wusste sie, wie anfällig Computer waren, und erstellte regelmäßig eine Sicherheitskopie auf einer externen Festplatte, die sie in einem Geheimfach in einem der Aktenschränke versteckt hielt.
In weiterhin geduckter Haltung ging sie hinüber, um sie zu holen. Als sie die metallene Schranktür öffnete, kam es ihr wie ein weithin hörbarer Donnerschlag vor. Sie beeilte sich.
Kaum hatte sie die Festplatte in ihre Handtasche gesteckt und die ersten Schritte zurück zum Ausgang zurückgelegt, flammte die Neonbeleuchtung auf.
Eve erstarrte in der Bewegung.
»Das passiert immer, wenn kleine Vögel zu hoch fliegen. Sie verbrennen sich die Flügel.« Die Stimme kam vom Gebäudeeingang des Wintergartens, und Eve erkannte sie sofort. Professor Christian Berg.
Eve drehte sich zu ihm herum. Der Ausdruck in seinem Gesicht war traurig, die Augen waren tränenfeucht, und seine Mundwinkel zuckten wie bei einem inneren Kampf. Sie wollte nicht glauben, dass er etwas mit dieser hässlichen Sache zu tun hatte. Aber die drei Männer, die neben ihm standen, zeigten es eindeutig.
Sie trugen schwarze Skimasken, die ihre Gesichter bedeckten. Einer von ihnen hielt eine Spritze in der behandschuhten Hand.
»Es tut mir leid, Eve«, sagte Professor Berg.
»Was geht hier vor, Christian?«, fragte sie.
»Sie sind zu weit gegangen«, antwortete er. »Und dabei habe ich versucht, Sie zu warnen.«
»Wovor zu warnen?«
»Die Grenze zu überschreiten.«
»Wer sind diese Männer, und was wollen sie von mir?« Eine eigenartige, lähmende Ruhe hatte von Eve Besitz ergriffen. Zu viel war zu viel. Nach dem Angriff auf das Kloster und auf ihr Haus hatte sie keinerlei Zuversicht mehr, entkommen zu können. Aber sie wollte verdammt sein, wenn sie nicht vorher noch herausbekam, was eigentlich gespielt
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